Mit Baseball durchs Märchenland


Michael Chabon - Sommerland



Für alle, die es noch nicht wußten: Michael Chabon ist ein durch und durch amerikanischer Schriftsteller. Wer sonst käme wohl auf die Idee, ein Baseballspiel als Sinnbild des Lebens zu verwenden? Sicher, Douglas Adams hat einmal mit feiner Ironie das verwandte Kricket als Parabel für das typisch Englische (und dabei vertrackt Außerirdische) im Leben verwendet - doch Chabon scheint es mit dem Baseball durchaus ernst zu sein.

Worum geht's? Ethan Feld, eine Halbwaise, lebt mit seinem Vater auf einer kleinen Insel im Puget-Sund (genau in dem Archipel, in dem auch Gutersons „Schnee, der auf Zedern fällt" spielt). Ethan ist beim Baseball eine Niete. Um so verwunderlicher scheint es, daß gerade er ohne sein Zutun zum Helden einer offenbar baseballversessenen Märchenwelt erkoren wird. Sein Gegenspieler, der „Kojote", hat den Plan gefaßt, die Welt zu vernichten, indem er den „Lodgepole" vergiftet, den Baum, der die verschiedenen Daseinsebenen der Menschen und Fantasiewesen trägt und verbindet. Ethan und eine bunt zusammengewürfelte Schar menschlicher und märchenhafter Mitstreiter machen sich auf, den Plan des Kojoten zu durchkreuzen.

Dabei entwickelt sich eine Roadstory, die durch ein farbig entworfenes und mit Akribie gezeichnetes Fabelwesenland führt und bei der immer wieder Baseballspiele als Mittel zur Entscheidung verfahrener Situationen dienen. Für Amerikaner sicher eine lustige Idee, für europäische Leser gewöhnungsbedürftig - allerdings nicht ohne Reiz.

Ein Jugendbuch ist der Roman vielleicht, ein Kinderbuch ganz bestimmt nicht. Dafür geht es zwischendurch zu häufig ans blutige Eingemachte. Erwachsene werden jedoch ihre Freude an der Sache haben. Wenn man sich einmal auf die Baseball-Parabel eingelassen hat (unterstützt durch Hinweise im Text und ein ausführliches Glossar), dann ist der Roman angenehm zu lesen, und die Geschichte wird in sich stimmig: Ein Spiel entscheidet sich erst im neunten und letzten Inning, nur die angreifende Partei kann Punkte machen und ein bißchen Glück ist auch immer dabei.

Das ist letztlich auch die Lehre, die Ethan und der Leser daraus ziehen: Auch unter ungünstigen Bedingungen die Gelegenheit beim Schopf ergreifen und sich selbst nicht zu früh aufgeben. Und: Man muß kein strahlender Held sein, um durchs Leben zu kommen.

Mir hat „Sommerland" letztlich Spaß gemacht, obwohl es am Anfang doch ein wenig mühsam war, in die Geschichte hineinzufinden - nicht weil sie kompliziert wäre oder gar langweilig beschrieben, sondern weil es etwas braucht, bis man Baseball als wichtigsten Topos in der Romankonstruktion akzeptiert hat. Dann merkt man, daß Chabon nach wie vor der gewitzte, einfallsreiche Erzähler ist, als den man ihn kennt. Allerdings auch, daß er wie schon in „Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier & Clay" dazu neigt, möglichst alle recherchierten Fakten zu einem bestimmten Thema in ein Buch zu packen und dabei auch gewisse Längen im Erzählfluß zu riskieren (ein Verhalten übrigens, das er seinem Helden in „Wonder Boys“ noch als Kardinalfehler ins Stammbuch schrieb).