Auf Achse


Kölner Verkehrsbetriebe (KVB)

(Ein Text aus dem Jahr 2001)

"Ich fahr schwarz mit der KVB ..." durfte vor einigen Jahren der schwergewichtige Hobby-Rocker Jürgen Zeltinger ins Mikrofon dröhnen - und hatte dabei nicht nur die "Beförderungserschleichung" propagiert, sondern nebenbei eine in Köln nicht seltene grammatische Nachlässigkeit begangen. Denn "Kölner Verkehrsbetriebe AG" heißt das städtische Unternehmen, ein Plural also, und Zeltinger hätte "... mit den KVB ..." singen müssen.

"Hätte, wollte, aber - alles dumm' Gelaber", fand nicht nur der "Asi mit Niveau", der jahrelang abends im längst verblichenen "Peppermint" an der Zülpicher Straße residierte und dort der Legende nach junge Männer mit der "Tapeziermasche" anbaggerte ("Ich muß bei mir zo Huß renovieren. Kannste m'r nit ens helfe?") - mit bestem Blick auf eine der zahlreichen Straßenbahnlinien eben jener KVB. Auch der Kölner an und für sich sagt "Ich fahr' mit der KBV", oder eben nicht.

Seit Pferdefuhrwerkszeiten transportieren die KVB Kölner und Kölnbesucher kreuz und quer durch die Stadt und drumherum. Heute mit Bussen und Schienenfahrzeugen.

Das Liniennetz ist solide ausgebaut. Die KVB haben das Straßenbahnnetz mit seinen 15 Linien ganz grob in zwei Stränge unterteilt. Dazu gehören einmal die Ost-West-Linien wie die 1, die zwischen Bensberg und Junkersdorf verkehrt oder die 9, die zwischen Königsforst und Sülz Personen transportiert. Hier verkehren zunehmend Niederflurwagen, die an entsprechend eingerichteten Bahnsteigen das ebenerdige Ein- und Aussteigen erlauben. Die Nord-Süd-Linien wie die 12 zwischen Zollstock und Merkenich oder die 15 zwischen Ubierring und Thielenbruch werden dagegen vorwiegend von den ab den 70ern angeschafften Stadtbahnwagen bedient, teilweise aber auch noch von Nachkriegszügen. Sonderfälle stellen die Linie 13 als eine Art vorwiegend linksrheinische Ringbahn oder die Linie 4 mit ihrem teils ost-westlichen, teils nord-südlichen Linienweg dar.

Die Buslinien vernetzen die Räume zwischen den Stadtbahnlinien und bedienen die weniger bevölkerungsreichen Außenbezirke.

Die Preise bei den KVB sind durchwachsen. Erwachsene zahlen ab 2,30 DM für ein Kurzstreckenticket - das kann sich steigern bis 14,90 DM, wenn man sich in die schon recht unübersichtlichen Weiten des Verkehrsverbundes Rhein-Sieg aufmacht, in den die KVB eingebunden sind. Für dieses Geld darf man dann aber auch beispielsweise von Königswinter am Siebengebirge bis Langenfeld hoch im Norden fahren, oder von der Eifel bis ins Oberbergische. Im Großen und Ganzen dürfte das Preisniveau dem anderer Verkehrsverbünde ähnlich sein.

Ausgesprochen eigenwillig zeigt sich der Tarif allerdings für die Fahrgäste, die nicht als altgediente KVB-Junkies über eine Monatskarte oder ein Jahresabo verfügen. Da hat man schon Japaner mit entrücktem Blick vor Fahrkartenautomaten meditieren sehen, notorische Autofahrer standen (dieweil der gewohnte Untersatz zur Inspektion mußte) mit einem grimmigen "Nie wieder!" zwischen den knirschenden Zähnen vor dem Tarifzonenplan, holländische Freunde beschlossen ganz auf den Kauf zu verzichten und bei einer Kontrolle nur noch Serbokroatisch zu verstehen.

Wer im Reich der KVB (und des VRS) von Punkt A nach Punkt B will, muß zunächst wissen, in welcher Tarifzone er sich befindet. Das ist nicht einfach, denn an vielen Haltestellen findet sich kein Tarifzonenplan. Man darf also Gespräche mit Kundigen anknüpfen, überlegen, schätzen, peilen und wird dann auf gut Glück und zur Sicherheit meist die etwas zu teure Karte am Automaten ziehen. Die KVB haben das schöne Köln und das Umland in Zonen unterteilt, diese Zonen wieder in Teilzonen. Fährt man innerhalb einer Zone durch mehr als zwei Teilzonen, benötigt man eine Karte der Stufe A (3,60). Gleiches gilt, wenn man von einer Zone in eine andere fährt. Anders dagegen, wenn man sic h in zwei Zonen bewegt, dabei aber nicht mehr als zwei Teilzonen berührt. Dann kommt man mit der Kurzstreckenkarte (K) aus. Stufe B gilt dann für 3-4 Zonen, Stufe C für 5-8 Zonen, Stufe D für 9 und mehr Zonen.

Alles klar? Kann man sofort wieder vergessen, wenn man sich eine 3-Tage-Karte besorgen will. Dabei gibt es zwei Preisstufen: für 1-4 sowie 5 und mehr Zonen. Hübsch einfach. Jetzt die 9-Uhr-Umweltkarte. Da wollte man wieder anders mischen. Der Käufer hat die Wahl zwischen 1-3, 4-5, 6 und mehr Zonen. Bei Wochen- und Monatskarten zählt jede einzelne Zone, bei der Juniorkarte gilt dagegen ein Preis für alle Entfernungen.

Der Kölner, der häufiger in die Bahn steigt, kauft sich da hübsch eine Monatskarte, der Auswärtige oder Gelegenheitsfahrgast fährt schwarz oder zu teuer.

Übrigens: Früher war alles einfacher: Da kaufte man sich als Erwachsener einen weißen Fahrschein, als Kind einen blauen, als Schüler einen grünen und als Rentner einen roten. Wer über die Stadtgrenze fuhr, mußte immer zusätzlich einen blauen kaufen. Das wars! Ach, Nostalgie ...

Das Schwarzfahren ist ein Abenteuer für sich. Beliebt bei Schülern, Studenten, Alu-Empfängern und überzeugten Anarchisten, zwingt es die KVB seit vordenklichen Zeiten (bzw. der Abschaffung des mitfahrenden Fahrkartenverkäufers in den 60er Jahren) zum Einsatz von Kontrolleuren. Der Schwarzfahrer sichert sich deshalb tunlichst einen Platz in der Nähe der Tür mit gutem Blick nach draußen. Wird er beim Einfahren der Bahn oder des Busses in die Haltestelle einer Zusammenrottung blauuniformierter Damen und Herren ansichtig, sucht er unmittelbar nach dem Halt des Fahrzeugs das Weite. Das aber nicht zu auffällig, da gerade in den unterirdischen Bahnstationen Flüchtige gerne abgefangen und sozusagen post factum nach dem gültigen Schein gefragt werden. Wer den nicht hat, muß ein "erhöhtes Beförderungsentgelt" von runden 60 Mark berappen. In den Minuten zuvor bedienen sich die Kontrolleure gerne der Einkesselungstaktik und umstellen die Delinquenten so, daß sie nicht ohne Anwendung körperlicher Gewalt fliehen können. Dann werden die Personalien abgefragt, und wer sie nicht freiwillig herausrückt, darf sie bei der ohne Zaudern zur Hilfe gerufenen Polizei angeben.

Eine subtilere Methode der Geldeinsparung, das Graufahren, ist in Köln so beliebt wie in etlichen anderen Großstädten auch: Beim Aussteigen hält man Ausschau nach jüngeren, bedürftigen, ruhelos um sich schauenden Menschen und drückt ihnen das benutzte Ticket in die Hand. Umgekehrt geht's auch - da bückt sich der graufahrwillige Passagier nach einem eben weggeworfenen Fahrschein und kann damit noch einige Stationen halblegal zurücklegen.

Abgesehen vom Angstschweiß der Schwarzfahrer sorgen noch etliche andere Verunreinigungen dafür, daß man gut beraten ist, vor dem Platznehmen im Fahrzeug einen prüfenden Blick auf die Sitzflächen und den Boden zu werfen. Harmlos war noch der Papiermüll, der in der Ära des "Kölner Zeitungskriegs" vor allem in Stoßzeiten die Waggons überflutete. Ärgerlicher sind ausgelaufene Coladosen, diskret an Haltegriffen plazierte Kaugummis, klebrige Bierlachen und vollends ekelerregend die Resultate offenkundig unbekömmlicher Mahlzeiten. So etwas findet man nicht täglich und längst nicht in jedem Wagen, aber man sollte tunlichst darauf gefaßt sein. Und wenn man in einer rammelvoll besetzten Bahn einen Doppelsitz ganz hinten ohne Passagiere erspäht hat, kann man sich in der Regel den Weg dorthin sparen - die Plätze sind meist aus gutem Grund noch frei.

Das Publikum in den Bussen und Bahnen ist buntgemischt. Vom Proll bis zum leitenden Geschäftsmann fährt innerhalb der City fast jeder mit öffentlichen Verkehrsmitteln - zumindest diejenigen, die noch so weit bei Trost sind, sich das Chaos auf den Straßen zu ersparen. Hin und wieder sieht man Herrn Biolek leutselig in der Bahn grüßen, und auch sonst ist durchaus mal ein Blick auf Prominenz möglich. Wenn es irgend geht, sollte man zu Schulbeginn und Schulschluß die Bahnen und Busse meiden. Dann sind sie gestopft voll, der Lärmpegel erreicht die Schmerzschwelle, und die Chancen stehen nicht schlecht, von einem Schüler das Rückengepäck Marke "Scout" oder "4You" an die Nase geschlagen zu bekommen. Omis sind zu diesen Zeiten Freiwild (in den 70ern hat man uns ja noch eingetrichtert, älteren Leuten den Sitzplatz anzubieten - wer dies heute tut, erntet von seinen Mitschülern allzu häufig Blicke, die sich ob der uncoolen Anbiederei nicht zwischen Entsetzen und Gewaltandrohung entscheiden können). Recht fröhlich und unkonventionell ist das Publikum in den (vor allem späteren) Abendstunden. Zwar stößt man dann auch häufiger auf freiwillig oder unfreiwillig auf den Boden entsorgte Essens- und Getränkereste, dafür ist die Stimmung locker. So locker, daß dann gerne im hinteren Wagen bei Straßenbahn-Doppelzügen verbotswidrig geraucht wird. Nicht daß ich das für ein Kapitalverbrechen halte, aber wenn ich mir als notorischer Qualmer für eine halbe Stunde Fahrt die Zigarette verkneifen kann, erwarte ich das irgendwie auch von anderen. Die flotte Stimmung kulminiert vor allem in den "Lumpensammlern", den letzten Fahrten einer Nacht. Die liegen zwar heute später als noch vor zehn Jahren, aber gegen 2 Uhr ist fast überall Schluß - und wer dann kein Taxi zahlen will, muß sich zu vielen anderen in die letzte Bahn klemmen.

Die eben erwähnte City ist übrigens am besten durch die KVB erschlossen - die großen Verkehrsknotenpunkte wie Hauptbahnhof, Neumarkt, Ebertplatz oder Barbarossaplatz sind aus nahezu allen Richtungen bestens zu erreichen. Die Stadtbahnen fahren hier größtenteils unterirdisch - ausgenommen die Ost-West-Achse von der Deutzer Brücke bis zum Rudolfplatz.

Aus historischen Gründen (der erste U-Bahn-Abschnitt zwischen Neumarkt und Hauptbahnhof wurde in den 60ern in Betrieb genommen) existieren in Köln nicht wie in manchen anderen Städten getrennte U-Bahn- und Straßenbahn-Netze. Jede U-Bahn-Linie kommt irgendwo aus dem Boden und fährt auch etliche Kilometer über Land oder auf der Straße. Immer wieder wird ein Stück U-Bahn irgendwo angebaut - zur Zeit ist die Untertunnelung der Nord-Süd-Fahrt in Planung. Voraussichtlich wird sie bis zur Fertigstellung noch für einiges Hickhack im Rat, für Bürgerproteste und Klüngeleien gut sein. Haben die Kölner Zeitungen (also die Dumont-Postille in drei Varianten und das Fischeinwickelpapier von Springer) was zu schreiben. Auch schön.

Die Bahnsteige und Bushaltestellen sind überwiegend sauber und bis auf einige Ausnahmen in den Außenbezirken recht gut in Schuß. Das hat einen guten Grund: Vor einigen Jahren hat man einen Deal mit einer Fremdfirma geschlossen, in dessen Rahmen diese die Vermarktung von Werbeflächen an den Haltestellen übernahm und dafür im Gegenzug für die Instandhaltung und den Aufbau der Wartehäuschen zuständig wurde. Das hat recht gut geklappt. Im übrigen haben viele Bahn-Haltestellen davon profitiert, daß sie für die Niederflurbahnen umgebaut werden mußten. Ein recht gelungenes Pflaster und historisierende rotlackierte Laternen lassen sie recht gemütlich erscheinen. Bei den alten U-Bahnhöfen kann man dagegen noch sehr schön erkennen, welche Fliesendekore in den 60er Jahren modern waren - und sich angenehm dabei gruseln. Die neueren U-Bahn-Stationen und die inzwischen modernisierten Haltepunkte wie Neumarkt oder Hansaring zeigen jedoch, daß es auch besser geht.

Sehr praktisch sind die seit einigen Jahren auch in Außenbezirken installierten elektronischen Voranzeigen für Bahnen. "Linie 1 Junkersdorf in 5 Minuten" leuchtet es da beispielsweise, und man muß nicht ratlos da stehen und orakeln, ob heute der Fahrplan eingehalten wird oder nicht. Die Zeitrechnung scheint jedoch bei den KVB in einem anderen Rhythmus z u verlaufen als bei unsereinem. "In 2 Minuten" bedeutet allzu oft, daß die Bahn schon in 100 Metern Entfernung zu sichten ist - den Weg zum Zeitungskiosk sollte man sich dann verkneifen. Auch der plötzliche Wechsel von "in 5 Minuten" zu "in 2 Minuten" (oder umgekehrt!) läßt die Frage reifen, aus welchem Raum-Zeit-Kontinuum der nächste Zug herbeischweben mag.

Alles in allem treibt so manchen Kölner eine Haßliebe zu den KVB um. Man kommt schon hinreichend bequem und schnell durch Stadt und Umland, ärgert sich dafür mit sporadischen Ausfällen und Verspätungen, nimmt verwundert obskure Durchsagen zur Kenntnis ("... wegen eines vorausgegangenen Verkehrsunfalls ..." - echt? Nicht wegen eines nachfolgenden?) und darf gelegentlich im sogenannten Schienen-Ersatzverkehr ("... wegen einer vorausgegangenen Störung ...") nie wahrgenommene Vorstadtsträßchen erkunden.

Wer sich als Ortsfremder mit der teils nüchtern-funktionalen, teils skurrilen Welt der KVB vertraut machen will, kann die Website http://www.kvb-koeln.de anwählen. Neben allerlei Informationen findet sich dort auch manches journalistische Meisterstück wie "Neuer modischer Chic für Beschäftigte der Kölner und Bonner Verkehrsunternehmen" (.../docs/aktuell/pm07072001.htm). Eine sehr schön programmierte Fahrplanauskunft findet sich übrigens unter http://www.vrs-info.de/

Gute Fahrt!