Chinesisch kochen - Tipps & Tricks



Wer geht nicht gerne „zum Chinesen“? Und wer kennt sie nicht, die typischen Gerichte? Jeweils drei Dutzend oder mehr Positionen mit Rind, Huhn, Schwein und auch mal Fisch drängen sich auf der Karte. Dazu gesellen sich das unvermeidliche Chop-Suey, auch die gebackene Banane und die Dosen-Litschies als Dessert, und die „indonesische Reistafel“ mogelt sich meist ebenfalls dazwischen. Uns schmeckt‘s in der Regel.

Kein Wunder: Was wir da aufgetischt bekommen, ist ein Ausschnitt der recht milden kantonesischen Regionalküche, der eisern auf den europäischen Geschmack getrimmt wurde. Setzte man den deutschen Gästen eines jener beeindruckend scharfen Szechuan-Gerichte vor, eine exotische Spezialität wie „stinkenden Tofu“ oder die legendären „tausendjährigen“ Eier, würde es den meisten von ihnen die Sprache verschlagen. Doch unter Chinesen gilt der erfolgreich operierende Geschäftsmann noch was, also paßt man sich den Wünschen der Kunden an und sieht lächelnd dabei zu, wie sie jeweils mit Löffel und Gabel jeder für sich an einem einzelnen Gericht hantieren, vorher ein Süppchen und nachher eines jener langweiligen Desserts zu sich nehmen.

Für mich ist diese traurige Wirklichkeit in den meisten (glücklicherweise nicht allen!) Chinarestaurants hierzulande der stärkste Grund, selbst chinesisch zu kochen. Ein anderer Grund liegt darin, daß ich vor deutlich mehr als einem Jahrzehnt einmal sechs Wochen in Taipeh verbrachte und dabei die Vielfalt an Strukturen, Zutaten und Aromen der dortigen chinesischen Küche lieben lernte.

Der Platz hier reicht bei weitem nicht, eine Rezeptsammlung zu veröffentlichen, deshalb möchte ich mich in diesem Text auf grundsätzliche Fragen und eine Reihe von Tipps beschränken. Denn wer sich erst mit den Prinzipien der chinesischen Küche vertraut macht und dann für die Rezepte ein gutes Kochbuch kauft, der wird viele überraschende und beglückende Erfahrungen am heimischen Herd machen können und sich selbst in eine geschmackliche Wunderwelt vorarbeiten.


Alles kleingeschnitten?


Ja, zumeist jedenfalls. In China und vielen anderen asiatischen Ländern wird vorwiegend mit Stäbchen gegessen. Dies geht nach gängiger Meinung auf die Äußerung des Philosophen Konfuzius zurück, der es für barbarisch erklärte, mit Schlachterwerkzeug am Eßtisch zu hantieren. Vermutlich liegt die Ursache für die Verwendung von Stäbchen jedoch in viel früheren Zeiten.

Die Konsequenzen für den Koch liegen auf der Hand: Was mangels Tafelmesser bei Tisch nicht zerteilt werden kann, muß bereits in der Küche in mundgerechte Stücke zerlegt werden. So ist es also kein Wunder, daß hier ein guter Teil der Zeit für die Vorbereitung der Gerichte aufgewendet wird.

Beim Schneiden der Zutaten sollte man deshalb auch immer den Verzehr mit Stäbchen vor Augen haben: Die Stücke dürfen nicht zu klein sein, aber auch nicht zu groß - was man leicht greifen und mit einemmal im Mund verschwinden lassen kann, ist gerade richtig.

Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Größere Fische beispielsweise werden häufig im Ganzen gedünstet, gegrillt oder gebraten. Man schneidet sie vor dem Servieren vielfach ein, so daß sich mit den Stäbchen passende Happen von den Gräten zupfen lassen. Anderes wiederum wie gebackene Hühnerfüße (ein beliebter Snack, nichts für die festliche Tafel) nimmt man einfach in die Hand und knabbert es ab.

Das meiste wird jedoch geschnitten. Dabei sollte nicht nur die Größe eine Rolle spielen, sondern ebenfalls die Optik und die beabsichtigte Garmethode. So wirkt es einfach schöner, wenn eine Möhre nicht in simple Scheiben geschnitten wird, sondern beispielsweise im Winkel von 30 Grad und man sie nach jedem Schnitt um eine Vierteldrehung weiterrollt.

Für das schnelle Garen im Wok ist es sinnvoll, wenn Rindfleisch quer zur Faser, Schwein und Geflügel dagegen mit der Faser geschnitten werden. Wiederum für das Rührbraten im Wok ist Fleisch in recht feine Scheibchen oder Streifen zu schneiden, bei einem Schmorgericht wie rotgekochtem Fleisch dagegen sind Würfel von 2 bis 3 cm Kantenlänge gefragt.

Fazit: Beim Schneiden muß man sich über den Zweck der Übung in Klaren sein. Während geübte Hobbyköche und -köchinnen viele Standardhandgriffe der europäischen Küche im Schlaf beherrschen, ist beim Kochen chinesischer Gerichte erst einmal Denkarbeit gefragt. Aber keine Sorge: Auch hier erwirbt man schnell Routine.


Zeitplanung


Eigentlich nichts spezifisch Chinesisches: Eine der zugleich simpelsten und wichtigsten Grundfertigkeiten des Kochens besteht darin, alles zur rechten Zeit fertig zu haben. Was zusammen auf den Tisch kommt, muß gleichzeitig gar werden. Außerdem müssen die Vorbereitungszeiten so geplant werden, daß man nicht am Schneidebrett hantieren muß, während man zugleich fleißig im Wok schaufeln sollte. Wichtig ist also, ein präzises Zeitgefühl zu entwickeln.

In der europäischen Küche bleibt oft Muße, kleine Handgriffe mal eben zwischendurch auszuführen - während man beispielsweise Speck ausläßt, wird schnell noch eine Zwiebel geschnitten. In der asiatischen Küche, vor allem bei der Arbeit mit dem Wok, bleibt diese Zeit oft nicht; deshalb sollte man sich gleich von derartigen Vorstellungen verabschieden und möglichst alle Zutaten komplett vorbereiten.

Man lege sich also etliche kleine, mittlere und größere Schüsselchen zu (davon kann man in der Küche ohnehin nie genug haben) und bereite alle Zutaten vor dem Beginn des eigentlichen Kochens vor - von sehr empfindlichen und verderblichen Lebensmitteln vielleicht abgesehen. Ist dies erledigt, kann man sich gelassener ins Getümmel stürzen.

Man fährt übrigens gar nicht schlecht damit, wenn man sich diese Vorgehensweise auch für die europäische Küche angewöhnt.


Speisenplanung


Vor dem Kochen kommt natürlich die Menüzusammenstellung. Hier lassen sich zwei Grundregeln ausmachen, die man tunlichst beherzigen sollte:

1.: Wenn mehr Personen zum Essen erwartet werden, vergrößert man nicht etwa die Mengen der einzelnen Gerichte, sondern man erhöht ihre Anzahl! Wenn eine vierköpfige Familie ißt, sind drei bis fünf Gerichte schon recht angenehm. Bei sechs Personen dürfen es fünf bis acht sein - und so weiter. Jeder ißt mal hiervon, mal davon, man reicht sich die Schüsseln zu (oder besser: platziert sie auf einer Drehplatte in der Tischmitte), und so wird das Ganze eine schöne, kommunikative und vor allem abwechslungsreiche Sache.

2.: Eine gelungene Speisenzusammenstellung lebt von den Kontrasten: Knuspriges wird mit Weichem auf den Tisch gebracht, Scharfes mit Mildem kombiniert, Süßes mit Saurem, Gebratenes mit Gekochtem, Fließendes mit eher Trockenem. Ein chinesisches Menü ist vielfältig und kontrastreich. Der dualistische Gedanke von Yin und Yang spiegelt sich in vielen Speisen.

Wenn man diese beiden Grundsätze beherzigt, führt dies fast von selbst zu einer ideenreichen und gelungenen Speisenfolge, ohne daß die Zubereitung unnötig anspruchsvoll wird.

Andererseits kann man sich in Kenntnis dieser Grundsätze wohl denken, was hinter der Stirn des höflich lächelnden Kellners im Chinarestaurant vor sich geht, wenn jeder Gast einer Gesellschaft genau eine Speise ordert (oft in trister Einmütigkeit der Gäste recht ähnliche Gerichte) und diese dann quasi einsam verzehrt. Doch keine Sorge: Ein guter Teil der Chinesen hält uns ohnehin für (hinreichend schlaue) Barbaren und erwartet keinerlei in ihrem Sinne verfeinerte Tischmanieren von uns. Der Rest ist Geschäft.

Übrigens sollte man zweierlei weitere Dinge beachten: Zum einen den Umgang mit Reis. Reis ist selbstverständlich in Asien ein Grundnahrungsmittel und eine bewährte Sättigungsbeilage. Oft ist es in ärmeren Schichten das Hauptnahrungsmittel und gehört zumindest am alltäglichen Familientisch immer dazu.

Im Restaurant und bei Einladungen spielt der Reis dagegen eher eine Nebenrolle. Und bei sehr festlichen Gastereien ist er lediglich pro forma vorhanden (wenn überhaupt). Es kommt hier auf die übrigen Gerichte und die Kunstfertigkeit an, mit der sie zubereitet sind. Wenn Sie für Freunde kochen, dann bringen Sie jedoch ruhig (in Maßen) Reis auf den Tisch. Das ist kein Problem. Bedenken Sie aber: Ein chinesisches Gericht besteht nicht aus Reis mit Sauce, sondern der Reis bleibt eine Beigabe. Wenn Sie für Chinesen kochen, ist es auch kein Problem, denn dann kochen Sie tunlichst nicht chinesisch - es sei denn, Sie hätten es in jahrelangen Exerzitien zur Meisterschaft gebracht.

Umgekehrt: Wer in einem chinesischen Restaurant die Hälfte der leckeren Gerichte stehen läßt, aber den Reis bis zum letzten Krümel leert oder gar noch nachbestellt, der beleidigt den Koch oder wird von ihm für einen ignoranten Dorftrottel gehalten. Im Zweifel das letztere.

Zum anderen die Suppen. In China ißt man auch schon mal eine Suppe zwischendurch für den kleinen Hunger. Im Rahmen eines echten Menüs gehört sie aber traditionell an den Schluß. Eine Suppe paßt und rutscht auch nach einem üppigeren Mahl immer noch, denkt man in China - und das stimmt haargenau. Auf Desserts im europäischen Sinn ist man dagegen oft weniger eingestellt.


Zubereitungsarten und Gerätschaften


Um die erwähnte Vielfalt auf den Tisch zu bringen, sollte man die gängigen Zubereitungsarten beherrschen. Vieles davon ist uns vertraut bzw. kann mit europäischem Küchengerät mühelos bewältigt werden. So ist beispielsweise eine Friteuse äußerst hilfreich, Schmorgerichte gelingen im Gußbräter im Backofen sehr schön, Suppen sind ohnehin kein Problem. Für gedämpfte Gerichte kann man einen Dampfkochtopf mit Dämpfeinsatz benutzen, der dann allerdings ohne Druck betrieben wird. Oder einen jener mehrgeschossigen Gemüsedämpfer, die auch hierzulande zum erweiterten Fundus einer Küche zählen. Zum Schneiden tut’s ein normales Kochmesser (keins dieser winzigen Gemüseputzmesser, sondern ein Messer, das auch Messer heißen darf). Das typisch asiatische Chop-Messer mit seiner großen rechteckigen Klinge (ähnlich einem Metzgerbeil) und dem oben seitlich angesetzten Griff ist in der Handhabung eher gewöhnungsbedürftig. Ein japanisches Kochmesser mit Damaszener-Klinge ist dagegen sehr geeignet (von meinem möchte ich mich nur ungern trennen).

Vieles bei den Gerätschaften kann man ansonsten einfach durch Experimentieren und mit Phantasie ersetzen oder eben im nächsten Asialaden kaufen.

Unentbehrlich allerdings ist der Wok. Und der Umgang damit will gelernt sein, denn allein dazu gibt es in der europäischen Küche keine Entsprechung.

Wie ein Wok aussieht, dieses Zwischending zwischen Pfanne und Kochtopf, muß man wohl kaum jemandem erklären. Muß man nicht? Wenn ich einmal die Woks aus deutscher Produktion betrachte, dann muß man es wohl ganz dringend. Ich habe mir Woks von Firmen wie Fissler und Berndes angesehen, also nicht gerade den Qualitätsschlußlichtern der Kochgeschirrbranche. Die äußere Form gelingt in der Regel noch - eine in recht flacher Wölbung gerundete, nach oben weiter werdende, relativ hohe Pfanne. Die innere Form ist der Knackpunkt: Der Wok muß bis ganz unten hin gewölbt sein. Ein flacher innerer Boden ist auf Deutsch gesagt Mist und degradiert den Wok zur gewöhnlichen Bratpfanne. Und für so ein Teil legt man bei Fissler locker einen dreistelligen Euro-Betrag hin!

Nur an einem recht kleinen Punkt genau in der Mitte darf die Hitze der Kochstelle voll einwirken; nach oben hin wird der Wok immer kühler. In Asialäden bekommt man gute Woks, und sie sind preiswert. Entweder bestehen sie aus Stahlblech oder aus Guß, manchmal auch aus Aluminium, aber das halte ich dann doch für eine zu billige Notlösung.

Welchen man kauft (und ohne ihn braucht man mit der chinesischen Küche gar nicht erst anzufangen), hängt von der Befeuerung ab. Dabei gilt: Je heißer, desto besser. Sehr gut ist also Gas oder Induktion. Auf einem Induktionsfeld hat sich bei mir ein schwerer Guß-Wok mit einigermaßen flach gefräster Standfläche bewährt. Auf Gas darf es alles mögliche sein - ein günstiger Stahlblech-Wok genügt da fürs erste vollkommen. Wenn möglich, sollte man einen mit großem seitlich angesetzten Pfannengriff kaufen. Meiner hat zwei kleine Henkelgriffe, und damit bin ich nicht immer glücklich.

Für den normalen Elektroherd gibt es nicht viele geeignete Woks - sie müssen für eine optimale Wärmeübertragung außen einen möglichst planen Boden haben und trotzdem die beschriebene innere Wölbung besitzen.

Sogenannte Party-Woks darf man übrigens getrost vergessen. Die haben mit der chinesischen Küche und deren Gerätschaften ungefähr so viel zu tun wie ein Marmeladenglas mit einer Bleikristall-Karaffe.

Warum so viel zum Wok? Weil die darin angewandte Gartechnik, das sogenannte Rührbraten oder Pfannenrühren, hierzulande wohl am stärksten mit der chinesischen Küche assoziiert wird. Und sie macht einiges vom Reiz richtig zubereiteter Fleisch-Gemüse-Gerichte aus. Die Zutaten werden damit schnell und zugleich schonend zubereitet, und das Kochen damit gelingt nach ein wenig Übung fast narrensicher. Wie es geht? Dazu fange ich am besten einen eigenen Abschnitt an:


Das Pfannenrühren oder Rührbraten


Wie schon erwähnt, herrscht in einem vernünftigen Wok an einer einzigen Stelle echte Hitze, nämlich ganz unten in seiner Innenwölbung. Der heißeste Punkt ist im Durchmesser vielleicht so groß wie der Boden einer mittelgroßen Kaffeetasse. Der Witz beim Pfannenrühren besteht darin, daß dieser heiße Fleck sehr heiß ist (durchschnittliche Ceranfelder haben größte Mühe, diese Hitze zu liefern), und daß die Zutaten jeweils immer nur ganz kurz mit dem heißen Fleck in Kontakt kommen.

Mal ganz praktisch: Wir stellen den Wok auf die Kochstelle und geben Vollgas (auf einem Nachtmarkt in Taipeh habe ich schon knapp dreißig Zentimeter lange, fauchende und fast reinblaue Gasflammen unter einem Wok gesehen). Wenn der Wok allmählich auf die gewünschte Temperatur kommt (mit etwas Übung riecht man das), dann gibt man etwa vier Eßlöffel hitzefestes Speiseöl in den Wok, indem man es rundherum vom oberen Rand her die Innenwände hinablaufen läßt. Bewährt hat sich dabei Erdnußöl, aber auch simples namenloses Pflanzenöl vom Discounter ist bestens geeignet. Das Öl hat ziemlich schnell Temperatur. Wer nicht ganz sicher ist, hält kurz den Stiel eines Kochlöffels hinein - wenn er sofort viele kleine Luftbläschen wirft, kann’s losgehen. Wagemutige können auch abwarten, bis das Öl leicht zu rauchen beginnt - doch Vorsicht: Dann ist zuweilen auch der Flammpunkt des Öls nicht mehr weit entfernt! Und für das Aroma von Lebensmitteln ist überhitztes Öl auch nicht gerade zuträglich.

Das Gargut (meist zuerst Gemüse) wird aus einem Schüsselchen in das Öl gegeben, und dann wird zügig, aber nicht hektisch umgerührt und gewendet. Und zwar immer wieder, bis der ideale Garpunkt erreicht ist.

Trainieren kann man das gut mit einer grünen Paprika: In Streifen schneiden, dann den Wok anwerfen (s.o.). Gerührt wird übrigens am besten mit einem Wokwender aus dem Asialaden. Meiner hat einen Holzgriff, die Metallschaufel vorne ist etwas stärker abgeknickt als bei einem normalen Pfannenwender, seitlich hat sie einen etwas erhöhten Rand, und die Kante vorne ist nicht gerade, sondern passend zur Wokwölbung gebogen.

Damit rühren wir nun also unsere Paprika durchs Öl. Nicht lange, und die Farbe der Paprika wird richtig leuchtend grün, da durch die Hitze das Chlorophyll nach außen wandert. Noch etwas länger, und die Farbe verblaßt ins Graue, das Chlorophyll ist zerstört, die Paprika matschig und alles zu spät. Rechtzeitig vorher muß man sie also aus dem Wok nehmen, dann ist sie gar, aber noch knackig. Man kann das nicht nach der Uhr bestimmen, sondern muß es sich durch Übung erarbeiten. Irgendwann hat man es im Gefühl und verlernt es auch nicht mehr.



Intermezzo: Um das Ganze nutzbringend anzuwenden, gibt’s jetzt doch ein Rezept Man braucht dazu
  • etwa 150-200 g Fleisch (Rind, Schwein oder Geflügel)
  • etwa die gleiche Menge Gemüse
  • 3 EL Sojasauce
  • 1-2 EL Sherry (wenn man Reiswein hat, dann den)
  • ein paar Tropfen duftendes Sesamöl
  • 1-2 EL Speisestärke
  • ca. 400 ml Hühnerbrühe
  • Öl zum Pfannenrühren
  • aromatische Pflanzen nach Geschmack (frischer Ingwer, Knoblauch, Koriandergrün, Lauchzwiebeln o.ä.)
Welche Art Fleisch und Gemüse, ist zunächst einmal völlig gleichgültig. Wir wollen ja unsere ersten Gehversuche machen. Schön ist es, wenn die Aromen kontrastieren und auch die Texturen nicht zu ähnlich sind. Gut passen Rindfleisch und Zwiebeln, Rindfleisch und grüne Bohnen, Schweinefleisch und Morcheln, Schweinefleisch und Bambussprossen etc. pp

Das Fleisch wird kleingeschnitten (Rindfleisch in flache Scheiben, die anderen Sorten in Streifen, ähnlich wie für Geschnetzeltes). In einer Schüssel vermischt man es mit der Sojasauce, dem Sherry, dem Sesamöl, der Stärke und der Aromapflanze. Die Schüssel stellt man zugedeckt in den Kühlschrank und läßt das Ganze etwa eine Stunde marinieren.

In der Zwischenzeit hat man das Gemüse geschnitten und vielleicht etwas Reis aufgesetzt. Nun geht es voran wie oben beschrieben: Den Wok heizen, Öl hineingeben, das Gemüse pfannenrühren. Wenn man zwei Sorten Gemüse verwendet, wird zuerst die hineingegeben, die länger zum Garen braucht, dann kommt die andere Sorte hinzu, und zwar so, daß beide gleichzeitig fertig werden. Das braucht etwas Übung und Erfahrung, aber das kommt mit der Zeit von selbst.

Das gare Gemüse wird herausgenommen, dann kommt das Fleisch mit der Marinade in den immer noch knallheißen Wok. Jetzt heißt es wieder fleißig rühren und wenden. Aber keine Sorge: Fleisch wird schnell gar. Wenn es soweit ist, wird das Fleisch mit der Hühnerbrühe angegossen, der Satz auf dem Boden des Woks gelöst und das ganze unter weiterem Rühren noch eine kleine Weile geköchelt. Kurz vor dem Servieren das Gemüse zugeben - et voila! Das erste selbstgekochte chinesische Gericht ist fertig.





Das war erst der Anfang


Mit dieser Technik kann man etwa zwei Drittel des Repertoires eines durchschnittlichen Chinarestaurants in ziemlich kurzer Zeit zubereiten. Die Leute dort machen es nicht wesentlich anders - sie haben eine Brigade von Kindern und Kindeskindern zum Schnippeln und Rühren, und beiseite steht immer ein Riesentopf Hühnerbrühe, die tatsächlich für pfannengerührte Gerichte essentiell ist. Wie sonst soll man es auch schaffen, jederzeit eins von zwei- bis dreihundert Gerichten auf der Karte innerhalb einer Viertelstunde an den Tisch bringen zu können?

Es dürfte auch klar geworden sein, warum es fatal wäre, auf diese Weise eine Mannschaftsportion für sechs Personen mit einem einzigen Gericht zu bestreiten: Bei größeren zugegebenen Mengen kühlt der Wok zu stark ab, das Pfannenrühren geht nicht mehr so locker-flockig aus dem Handgelenk. Irgendwann ist alles eine traurige Pampe und schmeckt wie das, was im Chinarestaurant spätabends der Hund bekommt.

Also für den nächsten Besuch lieber verschiedene Sorten Fleisch vorbereiten, mit unterschiedlichen Gemüsen kombinieren und ruck-zuck hintereinander weg auf die beschriebene Art zubereiten. Das ist dann zwar nicht das echte, vielseitige Menü, wie es ein chinesischer Gourmet zusammenstellen würde, sondern ähnelt doch eher dem pseudo-kantonesischen Einerlei, das wir kennen. Doch der Anfang ist gemacht, und jetzt kann man sich an weiteres wagen.

Sehr empfehlen für weitere Versuche kann ich beispielsweise rotgekochtes bzw. rotgeschmortes Rind- oder Schweinefleisch, das stundenlang bei niedrigen Temperaturen mit Sojasauce und ein paar weiteren Zutaten im Backofen köchelt. Man kann dieses Gericht lange vor dem Essen vorbereiten, so daß man dann die Hände zum Schnippeln anderer Zutaten frei hat. Aus ähnlichen Gründen eignen sich auch scharf marinierte Zucchini-Stücke oder mit Tee und Gewürzen lange gekochte Eier, die dann mit einem süß-pikanten Dip serviert werden. Recht gut neben einem Wokgericht läßt sich auch ein fritiertes und/oder ein gedämpftes Gericht zubereiten und servieren. Und natürlich können Lebensmittel im Wok auch nur gebraten werden, ohne daß eine Sauce entsteht. Ein paar Shrimps, mit Knoblauch und (wenig) gehacktem Ingwer kurz pfannengerührt, ergeben eine kleine Leckerei. Ebenso kann Julienne von Wurzelgemüsen nach einem kurzen, bewegten Gastspiel im heißen Wok zur dekorativen Beigabe fritierter Fleischstückchen werden.

Ansonsten heißt es üben, experimentieren und ein gutes Rezeptbuch durchstöbern. Empfehlen kann ich dazu „Das große Buch der chinesischen Kochkunst” von Kenneth Lo, das es leider nur noch antiquarisch gibt. Die neueren Wok-Ratgeber von Lo sind dagegen nicht so prickelnd. Schön ist auch „Das chinesische Kochbuch” von Yan-kit So, vor allem, weil hier neben den Rezepten viele Grundtechniken in Bildfolgen erläutert sind. Und um den Horizont auf ganz Asien zu erweitern, sollte man einen (durchaus längeren) Blick in „Asiens Küchen für Genießer” von Martina Meuth und Bernd Neuner-Duttenhofer werfen.


Wichtige Zutaten


Zum Schluß noch ein Blick auf wesentliche Zutaten der chinesischen Küche. Manche Dinge gelten als typisch und wichtig für die chinesische Küche, wie zum Beispiel Bambussprossen, Wasserkastanien, Mu-Err-Pilze oder Sojakeime. Und mancher glaubt, nur damit würde ein Gericht richtig chinesisch. Das ist, mit Verlaub, Unsinn. Diese Zutaten sind zwar in Asien ortsüblich, aber es geht auch ganz ohne sie. Dennoch können sie Lokalkolorit schaffen und beim Kochen streng nach authentischem Rezept sind sie zuweilen tatsächlich unentbehrlich.

Die Grundsteine der heutigen chinesischen Küche wurden in Zeiten gelegt, als die Versorgung mit Lebensmitteln in dem riesigen Land, vorsichtig ausgedrückt, verbesserungsfähig war. Man verwendete deshalb buchstäblich alles, was irgendwie eßbar war. Und man erfand Zubereitungsarten, wie etwa das Rotkochen, mit dem sich auch das sehnigste Fleisch noch in etwas wunderbar Zartes und Schmackhaftes verwandeln läßt. Man kann also prinzipiell mit fast allem chinesisch kochen, was einem im Lebensmittelladen vor die Füße kommt.

Dennoch gibt es einige Zutaten, die man im Haus haben sollte, wenn man chinesisch kochen möchte. Vor allem anderen ist das Sojasauce. Am besten kauft man sie im Asialaden in der Literflasche. Die sündhaft teuren Minifläschchen aus dem Supermarkt sind reine Beutelschneiderei. Und man sollte zusehen, daß man chinesische Sojasauce bekommt, die herber als die japanische oder indonesische ist. Koreanische Sojasauce eignet sich oft auch.

Ein unübertreffliches Aroma gibt auch duftendes Sesamöl, ein dunkles, zähfließendes Öl, das einen starken Geruch und Geschmack nach geröstetem Sesam verbreitet. Man muß es allerdings sparsam verwenden.

Für viele Gerichte unentbehrlich ist auch Hühnerbrühe. Man sollte immer ein Glas entsprechenden Instantpulvers im Haus haben. Die Sorten von Maggi oder Knorr sind gut geeignet. Ingwerwurzel, Frühlingszwiebeln und Knoblauch sind ebenfalls oft nützlich.

Eine Flasche Sherry dürfte in jedem anständig geführten Haushalt zu finden sein. Man kann ihn beim Kochen sehr gut dort verwenden, wo Reiswein verlangt wird. Auch Speisestärke gehört zum Bestand einer normal sortierten Speisekammer.

Und das war’s eigentlich schon. Solche Dinge wie „China-Würzmischung” sollte man tunlichst im Supermarkt-Regal stehen lassen - dort fühlen sie sich wohler als in der Küche. Wenn man schon Gewürze kauft, dann die einzelnen Sorten wie Koriander, Kurkuma oder ähnliches. Am besten immer dann, wenn es in einem Rezept verlangt wird, das man einmal kochen möchte.

Ach ja, doch noch etwas: Reis! Ich verwende gewöhnlich Basmati oder Jasmin-Reis. Diese Sorten schmecken vorzüglich (wenn man nicht gerade die billigsten nimmt) und sind im Asialaden für vertretbares Geld im 2,5-kg-Sack zu bekommen. Man kann auch mal mit anderen Sorten experimentieren.

Nur sollte man immer daran denken, daß man den guten Reis mit Stäbchen zu sich nehmen möchte (oder zumindest anderen die Chance dazu einräumt). Locker-körniger Parboiled-Reis oder dergleichen hat also in der chinesischen Küche nichts verloren. Der Reis muß klumpen, sonst darf man ihn mit Stäbchen kornweise verzehren, und das ist schlimmer als die chinesische Wasserfolter.

Und noch einmal „ach ja”: Getränke! Hier gilt in China verbreitet die Regel, man solle nie etwas trinken, ohne auch eine Kleinigkeit zu essen - und umgekehrt. Was aber nun getrunken wird, ist beinahe gleichgültig. Zu chinesischen Gerichten paßt helles Bier sehr gut. Trinkt man Wein dazu, sollte er von eher robuster Natur sein, um sich gegenüber den teils kräftigen Aromen der Speisen durchsetzen zu können. Grüner Tee ist ebenfalls ein denkbares Getränk, wenn auch meiner Ansicht nach zum Essen ziemlich fade. Man kann auch gleich heißes Wasser trinken - was in China vor allem im Winter auch gerne getan wird.

Bieten Sie Ihren Gästen also einfach an, was Sie im Hause haben - die chinesische Küche ist in der Wahl der Getränke sehr tolerant. Nur den beliebten bzw. je nach Standpunkt berüchtigten Pflaumenwein würde ich nie vor dem Dessert auf den Tisch stellen - das Essen soll vom Getränk schließlich begleitet und nicht zugeklebt werden.

Möchten Sie die Tafelrunde zum Schluß mit exotischen Genüssen schockieren, dann servieren Sie ein Gläschen „Kao Liang Diu” als Digestif. Der Hirseschnaps mit seinen etwa 60% Alkohol und dem unverkennbar muffigen Geruch nasser Reisstrohmatten wird jeden Besucher restlos davon überzeugen, daß Sie in höhere kulinarische Sphären aufgestiegen sind, in die Ihnen zu folgen großen Mut und einen gewissen weltmännischen Gestus erfordert. In der Regel wird es beim einmaligen Versuch bleiben.


Fazit


Chinesisch kochen ist eigentlich nicht schwer, zumindest nicht für denjenigen, der die auch bei uns üblichen Gartechniken beherrscht und Rezepte mit Verstand lesen kann.

Einzig das Pfannenrühren muß trainiert werden, und zwar nicht erst dann, wenn bis zum Eintreffen der Gäste nur noch eine halbe Stunde bleibt, sondern mit Muße und ohne Streß. Zuweilen kann es auch hilfreich sein, einmal ein europäisches Gericht im Wok zuzubereiten, etwa ein Gulasch - das schärft das Gespür für das Zusammenspiel von Kochgerät und Lebensmitteln.

Zudem sollte man bei einfachen Dingen beginnen und sich dann allmählich Anspruchsvollerem zuwenden. Hier und da muß man variieren, experimentieren und ausprobieren - mit der Zeit wird sich ein Repertoire herausbilden, das man sicher beherrscht und das dann wieder als Basis für weitere Erkundungsgänge dienen kann.

Und schließlich sollte man sich von dem Bedürfnis freimachen, ein „echter“ chinesischer Koch zu werden. Ein wenig europäische Seele wird doch immer in jedem Gericht zu finden sein. Und das ist auch gut so, denn umgekehrt werden im Küchenalltag manche asiatische Impulse wirken. Und etwas Spannenderes als die Auseinandersetzung zwischen ganz verschiedenen Landesküchen kann man sich am Herd kaum denken.