Würgs!


Nadler Nudelsalat



Bei Verbraucherplattformen über Lebensmittel zu schreiben, fand ich eigentlich immer ziemlich dämlich. Eigentlich. Denn in diesem Fall konnte ich selbst nicht anders.
Übrigens: Der Text ist von 2001, und ich bin sicher, daß die Firma Nadler heute einen hervorragenden Nudelsalat produziert - damals war's leider anders.



Beim Wochenend-Einkauf mit meinem Ältesten (5) vor dem Feinkost-Kühlregal: „Papa, können wir Nudelsalat kaufen?“ Klar, können wir. Beim Samstags- und Sonntags-Frühstück fährt er auf pikante Sachen ab (ganz anders als sein jüngerer Bruder, der sich ausschließlich von Honig und Nutella ernähren könnte). Sein Favorit ist Nudelsalat, und zwar der vom Hersteller Merl, ohne Konservierungsstoffe, mit Schinkenstückchen drin, ein paar Erbsen und noch allerlei anderen leckeren Zutaten.

Große Lücke im Regal - nicht da. Ein Stückchen weiter nach links mit dem Einkaufswagen, da steht der Nudelsalat von Nadler. Von der Optik her ganz ansprechend: Eine offenbar tatsächlich wiederverschließbare rechteckige Dose, ganz im Stil des neuen Verpackungsdesigns,. mit dem dieser Hersteller die Wertigkeit seiner Produkte unterstreichen möchte. Die nehmen wir!

„Papa, das ist der falsche!“ Hm, wieder ein Kind, das bereits in jungen Jahren markenfixiert ist. Also ein wenig argumentieren.

„Aber der richtige ist nicht da. Komm, wir probieren den mal aus.“ Langes Gesicht vom Filius, noch einmal forschende Blicke ins Regal, dann achselzuckendes, wenn auch widerwilliges Einverständnis. Hätt' ich doch auf ihn gehört ...

Zu Hause wartet schon der gedeckte Tisch, wir bringen das Fehlende mit, packen schnell aus und setzen uns ebenfalls. Nach dem üblichen Vorgeplänkel („Nein, Rosinenbrot mit Camembert ist keine gute Idee!“" - „Natürlich hat Dein Bruder nicht mehr Kakao als Du.“ - „Halt! Tiggi [die allzeit verfressene Hauskatze] bekommt keine Wurst ab!“) gerät irgendwann der Nudelsalat ins Blickfeld.

Die Verpackung, die im Laden noch so wertig erschien, läßt sich nur mit einigem Gefummel öffnen. Auch ihre spätere Verwendung (das Recycling lebt!) als Gefrierdose scheint nicht mehr so attraktiv, da das Etikett nicht aufgeklebt, sondern auf Deckel und Seiten aufgedruckt ist. Vollfarbig! Dafür ist Geld da ...

Aber schließlich kommt es auf den Inhalt an. Na, mal sehen. Zutatenliste querlesen ... Eiernudeln ... Paprika ... Moment! Warum Paprika? Wenn dem Koch nichts einfällt, haut er Paprika rein - das gibt einen schön penetranten Geschmack und macht das Würzen einfacher. Nun gut, weiter im Text: die üblichen Verdächtigen wie Verdickungsmittel (na ja), Konservierungsstoffe (hätte nicht sein müssen), allerlei Gemüsezeugs und last not least Fleischbrät. Das Standardprodukt der Feinkostfabriken überhaupt!

Man stelle sich das vor: Ich will Nudelsalat machen und gehe in die Metzgerei:
„Ein halbes Pfund Fleischbrät, bitte.“
„Hä?!?“
„Ja, Fleischbrät, und noch ein Tütchen Stabilisator, wenn's geht ...“
Achtkantig rausfliegen würd ich da, wenn der Metzger etwas auf sich hält. In der Fabrik ist es die Norm: Fleisch (welcher Herkunft auch immer) schön mikroskopisch kleingematscht, mit Bindemitteln und Gewürzen zu einem schönen Klotz gekocht, dann in Streifen geschnitten ... Fleischbrät eben.

Zurück zum Text, jetzt kommt die Probe aufs Exempel. Sohnemann nimmt ein Löffelchen voll, kaut, bewegt es im Mund, schmeckt, schluckt, schmeckt hinterher - und verzieht das Gesicht. Nicht vor Begeisterung. Eher angewidert.

"Was ist? Schmeckt dir das nicht?"
"Nö. Dir denn?"

Hm, hm, hm, das wollen wir mal sehen. Also auch ein Löffelchen probiert. Gottnein, wär das Zeug doch im Laden geblieben! Wie erwartet, beteiligen sich die schönen, knallroten Paprikastückchen überproportional am Geschmackserlebnis. Das meiste andere geht daneben unter und muß erst mühsam herausgeschmeckt werden. Lohnt aber die Mühe nicht. Ganz im Gegenteil: Im zweiten Aromaschub kommen die Konservierungsstoffe mit aller Macht auf die Zunge. Pfui Deibel! Mit Proprionsäure, Ameisensäure, Benzoesäure und all dem anderen beißend-ekligen Unfug konnte ich mich noch nie anfreunden. Und hier macht sich dieses Verbrechen an der Geschmacksbildung dermaßen breit, daß es zum Speien ist. Das alles in einer matschig-klebrig-allgegenwärtigen Pseudo-Mayonnaise mit einem subtilen Kunststoff-Beigeschmack. Dazwischen natürlich Fleischbrät-Stückchen, ordentlich vollgesogen mit Konservierungsstoffen, von einer unglaubwürdig schweinchenrosa Färbung. Bah!

Was denken die Leute sich eigentlich?!? Bauen riesige Fabriken für Feinkostsalate, beschäftigen Testköche und Testesser, Verpackungsdesigner, Einkäufer, Gabelstaplerfahrer, Aromatiseure und Rezept-Erfinder - und dann überkommt den harmlos probierenden Kunden das heftige Verlangen, sofort in der Küche den Löffel mit viel heißem Wasser abzuwaschen und schon zum Frühstück einen doppelten Wacholder zu trinken!

Im Ernst: Seit meiner frühesten Kindheit wurde mir eingetrichtert, daß man Lebensmittel nicht wegwirft, wenn sie nicht verdorben sind („Denk nur an die armen Kinder in Afrika. Die würden sich freuen ...“). Diese jahrelange Konditionierung - mit einem Löffelchen Nudelsalat weggewischt, als wenn es sie nie gegeben hätte. Ich hab diese Dose genommen und im Müll versenkt. Über den Daumen gepeilt 3 Mark 50 weggeworfen und meinen Kindern ein schlechtes Beispiel gegeben. Und das mit Ingrimm und Vergnügen! Da, ihr Nadlers dieser Welt, das macht man mit eurem Zeugs, dem ungenießbaren!

Beim nächsten Mal folge ich den Empfehlungen meiner Kinder - zumindest in den Grenzen, die mir die Vernunft und der pädagogische Impetus setzen. Und das Geld, das ich für Lebensmittel-Parodien nach Nadlers Gusto auszugeben versucht bin, das spende ich lieber direkt den armen Kindern in Afrika. Darüber freuen die sich nämlich wirklich!