I wished that I could come back as a flower


Stevie Wonder - Journey Through The Secret Live Of Plants


Stevie Wonder hat in seiner gut 40jährigen Musikerkarriere schon so einiges auf die Beine gestellt. Er hat als mundharmonikaspielendes Wunderkind Omaherzen zum Schmelzen gebracht, er hat absolute Funk-Pflichtnummern eingespielt („Sir Duke“), grottenschlechte Schnulzen aufgenommen, die aber die Kassen ordentlich klingeln ließen („I Just Called To Say I Love You“), er hat sich mit Paul McCartney ans Klavier gesetzt und ihm gezeigt, daß man große Intervallsprünge auch sauber singen kann („Ebony And Ivory“). Kurz und gut: Er hat sich als instrumentales Multitalent, begnadeter Vokalist und kommerziell erfolgreicher Komponist um fast alle Spielarten des Soul und des R‘n‘B verdient gemacht. Einer der erfolgreichsten Pop-Musiker des 20. Jahrhunderts, den nicht zuletzt Kollegen wie Michael Jackson als musikalisches Vorbild nennen.

Dabei hatte Stevie Wonder einen denkbar schlechten Start. Als Steveland Morris am 13. Mai 1950 in Saginaw, Michigan, geboren, traf ihn in den ersten Lebenstagen ein schwerer Schicksalsschlag: Durch zu hohe Sauerstoffzufuhr im Brutkasten erblindete der Säugling. Schwarz und blind - in den 50er Jahren keine guten Vorzeichen für eine Karriere gleich welcher Art.

Stevie Wonder selbst bezeichnete die Erblindung jedoch später immer wieder als Geschenk Gottes - der Verlust des Augenlichts hatte seine anderen Sinne geschärft, vor allem das Gehör: Der kleine Junge zeigte ein erstaunliches musikalisches Talent. Mit 12 Jahren erhielt er einen Plattenvertrag beim legendären Label Motown, ein Jahr später landete er mit „Fingertips Part 2“ seinen ersten Nr.-1-Hit in den US-Charts.

In dieser Zeit wurde er „Little Stevie Wonder“ genannt, er sang, er spielte Mundharmonika, er begeisterte die Großmütter der Nation. Und deren Enkel.

Eine Zwangspause durch seinen Stimmbruch Mitte der 60er nutzte er dazu, sich an verschiedenen Instrumenten und in der Musiktheorie weiterzubilden.

Anschließend war das Wort „Little“ verschwunden, die Wunderkind-Ära wurde 1968 mit dem Album „Greatest Hits“ für beendet erklärt - wohlgemerkt die größten Hits eines 18jährigen!

Sein erstes „erwachsenes“ Album folgte ebenfalls 1968 mit „For Once In My Life“, dessen Titelsong auch heute noch ganz ordentlich in die Beine geht. Der kommerzielle Erfolg mußte allerdings erst wieder allmählich in Schwung kommen, eine Klippe, die viele Wunderkinder nicht überwinden. Stevie Wonder hatte es spätestens mit „Talking Book“ (1972) und „Innervisions“ (1973) geschafft. 1976 folgte der Höhepunkt seiner Karriere, das Doppelalbum „Songs In The Key Of Life“, das ein Verkaufserfolg sondergleichen wurde. Als erstes Album in der Geschichte der Billboard Charts stieg es gleich auf Platz 1 ein. Bis heute werden Songs daraus gecovert - in den letzten Jahren beispielsweise „Pastime Paradise“ in Coolios Fassung „Gangsta‘s Paradise“ (wobei der coole Coolio im Vergleich ganz klar den Kürzeren zieht).

„Songs In The Key Of Life“ warf einen langen Schatten. In diesem Schatten kam 1979 „Journey Through The Secret Life Of Plants“ auf den Markt. Und konnte sich nie richtig daraus befreien.

Das Album ist die Musik zum Film zum Buch. 1973 erschien das Buch „The Secret Life Of Plants“ des Journalisten Peter Tompkins und des Biologen Christopher Bird. Darin werden (nicht frei von allerlei Obskurantismus) wissenschaftliche Erkenntnisse über das Seelen- und Gefühlsleben von Pflanzen dargelegt. Das Buch wurde in der ausklingenden Hippie-Ära zum Erfolg und ist bis heute in etlichen Ausgaben erhältlich (in deutscher Übersetzung als „Das geheime Leben der Pflanzen“, Fischer-Taschenbuch).

Nach dem Buch entstand ein Dokumentarfilm, der 1978 auf Independent- und Underground-Veranstaltungen gezeigt wurde. Er gilt heute als verschollen, ist zumindest nirgends zu bekommen. Fest steht jedoch, daß Stevie Wonder die Musik zum Film komponierte und einspielte und auch selbst in einer Szene auftritt (nach allem, was man hört, wandelt er darin ohne Brille durch ein Sonnenblumenfeld).

Der Soundtrack „Journey Through The Secret Life Of Plants“ erschien verständlicherweise zunächst als Vinyl-LP, und zwar als Doppelalbum. Die Ausstattung des grün in grün gehaltenen Covers wirkte etwas ungewöhnlich: Innen war es (zumindest bei den amerikanischen Original-LPs, nicht bei den Lizenzausgaben für den Rest der Welt) mit Rosenduft versehen, das Frontcover trug den Titeltext zusätzlich in erhaben geprägter Blindenschrift. Ich habe das Doppelalbum Anfang der 80er als Remittende in Vinyl gekauft, kurz nach Erscheinen 1992 auch die Doppel-CD, die ohne Braille-Schrift und Rosenduft auskommen muß.

Bei einem Soundtrack zu einem Dokumentarfilm nicht ganz verwunderlich, sind viele Tracks instrumental eingespielt. Dabei hat sich Stevie Wonder durchaus sinfonischer Mittel bedient. Eins davon ist die Leitmotivik: Die ersten Takte des Titelsongs (Track 18) werden in vielen der anderen Tracks zitiert, verfremdet, variiert, durchziehen das gesamte Album. Dabei schafft er bedeutend mehr Abwechslung als z. B. Mike Batt in seiner „Aspidistra Suite“, was nicht zuletzt auf der vielfältigen Instrumentierung und einem großen Reichtum in der Rhythmik beruht.

Obwohl ich das bei Musikrezensionen eigentlich nicht sehr schätze, will ich hier im Schnelldurchgang die einzelnen Tracks vorstellen. Dies bietet einfach den besten Überblick über den Formenreichtum des Doppelalbums. Es enthält 20 Tracks mit insgesamt knapp anderthalb Stunden Spielzeit (41:51 und 46:33):

1. Earth's Creation 4:03


Das Intro zum Album beginnt bombastisch mit satten Baßsynthesizer-Klängen, begleitet von dröhnenden Paukenschlägen und einer etwas dünnen Synthie-Oberstimme. Dann wechseln, Tempo, Rhythmus und Instrumentierung mehrfach - das Ganze ist eine Exposition der verwendeten Hauptmotive. Für meinen Geschmack etwas länglich geraten, aber der Vorspann des Films brauchte wohl die 4 Minuten.

2. The First Garden 2:36


Eine der betörendsten Instrumental-Miniaturen des Soundtracks. Zu Beginn sind Vogelstimmen zu hören, dann kommt leise ein Glockenspiel hinzu, das die Harmonik des Leit- bzw. Titelmotivs in aufgelösten Akkorden vorstellt, und schließlich wird das Motiv selbst von einer wunderschön sanft gespielten Mundharmonika vorgetragen. Ein Baß setzt ein, Streicher im Hintergrund, ein satter Klangteppich breitet sich aus. Dann abrupt Dschungelgeräusche und Flötentöne, blubbernde Baßpartien, ein Tropengewitter. Herrlich und viel zu kurz, doch wahrscheinlich gerade rechtzeitig abgebrochen, um nicht ins Kitschige abzudriften.

3. Voyage To India 6:29


Am Anfang leise, sphärische Klänge, dann setzen synthetische Streicher mit Baßbegleitung ein und nehmen das Thema von Track 16 (Come Back As A Flower) vorweg. Nach einer Fermate erklingt Meeresrauschen, dann setzt eine Sitar ein - wir sind in Indien. das Stück entwickelt sich nun auf der Basis von Sitar-Klängen in einem steten Ostinato weiter; nicht so komplex wie eine echte Raga, eher mit westlicher Harmonik, aber doch mit ausreichend pentatonischer Melodieführung, um asiatisches Flair zu erzeugen. Wie „original“ das ist, kann ich kaum beurteilen, da indische Musik mich eher nervt, aber was gemeint ist, kommt auch für den Laien deutlich heraus.

4. Same Old Story 3:45


Der erste Vokaltrack des Albums. Harmonika und Klavier spielen ein kurzes Intro, der Baß nimmt dessen Melodie auf, dann setzt Stevie Wonders Stimme ein. Eine ruhige Ballade, mit Klavier, Baß und Gitarre begleitet, der Refrain ein echter Ohrwurm. In einer kurzen Bridge kommt di Harmonika hinzu, um dann die zweite Strophe zu begleiten. Sicher konventionell das Ganze, aber doch ganz herrliche Musik.

5. Venus' Flytrap And The Bug 2:25


Eine kurze Swing-Episode, die einen Dialog zwischen einem lüsternen Käfer und einer Venus-Fliegenfalle wiedergibt. Für den Käfer endet das Techtelmechtel letal. (Zuerst: „Hello flower/Boy, do you look juicy./And you know just what Im coming to get, right“ Dann: „ Don't eat me/Please don't eat me/Im trapped in your love/Save me, dont hurt me“). Das Ganze mit Klavier, Baß und Schlagzeug cool dahergejazzt, die Stimme durch einen Vocoder verfremdet. Abgeschlossen wird der Track durch einen kurzen Dialog zwischen Vater und Kind, der das Geschehene kommentiert

6. Ai No Sono 2:05


Die Reise führt weiter um den Globus. Hier gibt es einen Zwischenhalt in Japan. Ein nicht besonders gut durchgestimmter Kinderchor singt eine recht einfache Melodie mit japanischem Text. Zuvor wird die Melodie einmal von asiatisch anmutenden Zupfinstrumenten, dann von synthetischen Streichern vorgestellt. Besungen wird ein „Garten der Liebe“.

7. Seasons 2:55


Kompletter Szenenwechsel: Eine Mutter erzählt ihrem Kind eine Gutenachtgeschichte. Draußen pfeift der Wind, das Kind klagt über die Kälte, und die Mutter erzählt von einem sommerlichen Garten, der für die Kinder aus aller Welt offen ist. Die Stimmen blenden aus, der Wind nimmt zu, wie von Ferne werden schon die Vokals des nächsten Tracks hörbar. Dann setzt zu einem dezenten Paso-Doble-Rhythmus ein gefällig gespieltes Klavier ein und spielt ein recht harmloses Stück Tanzmusik vor.

8. Power Flower 5:30


Aus dem vorigen Track entwickelt sich übergangslos wieder ein Vokalstück. Stevie Wonder trägt erneut eine Ballade vor, die sowohl von der Melodie als auch von der Instrumentierung her recht typisch für seine Balladen auf anderen Alben ist. Das Fender-Rhodes-Piano, ein E-Baß und unaufdringliches Schlagzeug sorgen für den echten Motown-Sound. Eine kurze Bridge mit gekonntem Harmonikaspiel darf auch nicht fehlen. Ein schönes Liebeslied. Übrigens: Wer die klanglichen Vorbilder des Soul-Newcomers Remy Shand sucht, wird sie hier finden.

9. Send One Your Love (Music) 3:06


Dieses Stück befindet sich zweimal auf dem Doppelalbum. Hier in einer Instrumentalfassung. Ein Barpiano spielt die Melodie, begleitet von Baß, Gitarre und mit Besen gespieltem Schlagzeug, das einen leicht swingenden Slowfox vorgibt - eine typische Salonorchesterbesetzung. Und folgerichtig hören wir im Hintergrund eine Männerstimme (französisch mit afrikanischem Akzent), die offenbar gepflegte Konversation betreibt. zwischendurch Gläserklirren - die Illusion ist perfekt.

10. Race Babbling 8:52


Ganz und gar anders der nächste Track. Hier eine treibende Drum- und-Baß-Begleitung im zeittypischen Disco-Rhythmus, dazwischen wohlplazierte Bläser-Riffs, elektronischer Geräusch-Schnickschnack, Synthieklänge und eine Stimme, die durch einen Vocoder stark verzerrte Shouts und Phrasen einwirft. Für die damalige Zeit sicher ein hervorragend tanzbares Stück Musik, das für mich allerdings mit knapp 9 Minuten eindeutig zu lang geraten ist.

11. Send One Your Love 4:02

Hier ist Track 9 in der Vokalversion. Typisch Stevie Wonder, typisch Motown: Ein Rhodes-Piano, dazu ein mit Flanger- und Phaser-Effekten verfremdetes Schlagzeug, stellenweise ein knackiger E-Baß, eine dezente Gitarre und schließlich Stevie Wonders schwelgende Stimme. Pflichtgemäß mehrere Mundharmonikaeinlagen, die Musik aus offenen Akkorden aufgebaut - sehr schön!

12. Outside My Window 5:30


Mehr hymnisch-fröhlich und etwas schneller kommt der nächste Vokaltitel daher. Im Hintergrund zuweilen Vogel- und Kinderstimmen, ein eingängiger Refrain, Gitarrenbegleitung und eine solide aufspielende Rhythmusgruppe. Nicht aufregendes, einfach ein hübscher Song.

13. Black Orchid 3:47


Ganz anders diese Ballade. Stevies Stimme setzt beinahe a capella ein, nur von einer zurückhaltend gespielten Gitarre begleitet. Dann einsetzender langsamer Rhythmus, zischendurch gesteigert zu einem gewissen Pathos. Stevie Wonders Stimme mal schmelzend, mal beinahe gebrochen - ein sehr anrührendes Stück.

14. Ecclesiastes 3:44

Wieder ein Instrumentalstück. Eine Orgel, begleitet von einem (synthetischen) Streichorchester, spielt eine getragene Melodie, fast einen Trauermarsch. Später kommen leise Background-Vokals dazu, die recht stimmungsvoll, aber auch etwas schrill sind. Für eine kurze Episode wird die Melodie von Moll nach Dur geführt, wirkt etwas optimistischer, dann geht es jedoch nach Moll zurück und das Stück endet mit einem bedeutungsschwangeren Schlußakkord.

15. Kesse Ye Lolo De Ye 3:04


Und wieder sind wir auf Weltreise, diesmal in Afrika. Trommelbegleitung und ein etwas monoton wirkender Chor tragen einen afrikanischen Text vor. Übersetzt heißt er „Ein Samenkorn ist ein Stern, ein Stern ist ein Samenkorn“ - also der vorweggenommene Text von Track 17. Etwas deplaziert, wenn auch melodisch stimmig, wirkt die gezupfte Instrumentalbegeleitung. Es hört sich an wie eine Zither, was für mich nicht seher afrikanisch klingt (ich lasse mich da aber gerne belehren).

16. Come Back As A Flower 3:23


Dieses Vokalstück wird von Syretta Wright gesungen, Stevie Wonders Ex-Frau. Ihre Stimme ist etwas dünn geraten, aber trotzdem recht schön. Die Begleitung aus Klavier und Percussion wird dem gerecht, die Melodie ist nicht zu anspruchsvoll. In der zweiten Hälfte mischen sich Klänge in den Hintergrund, bei denen ich nicht orten, kann, ob es sich dabei um Urwald-Vogelstimmen handelt oder um Background-Vocals von der Sorte, wie sie Elvis Presley einmal bei einem Live-Auftritt in einen Lachanfall getrieben haben. Ein paar Dubbing-Effekte, Stevie zum Schluß ebenfalls im Hintergrund, das war‘s.

17. A Seed's A Star And Tree Medley 5:54


Hier wird der Text aus Track 15 wieder aufgenommen, aber diesmal auf Englisch und weit ausführlicher. Vorgetragen ist dies in der täuschend echt simulierten Atmosphäre eines Open-Airs (der Titel wurde jedoch im Studio aufgenommen). Die Begleitung aus Schlagzeug, Baß, Synthie und Gitarren gibt einen treibenden Disco-Rhythmus vor, Stevie singt mal unverfälscht, mal über den Vocoder - ein typisches Soul-Stück der 70er, das atmosphärisch an Donna Summers legendäres Life-Konzert im Central Park erinnert (das allerdings einige Jährchen später stattfand).

18. The Secret Life Of Plants 4:16


Der Titelsong ist eine wahre Perle. Die Melodie wurde bereits mehrfach auf dem Album vorgestellt. Klavier, Gitarre und Baß setzen ein, dann Stevies Stimme, der es gelingt, zugleich schmelzend und resignierend zu wirken. Eine einfache, doch bewegende und unglaublich romantische Melodie. Ich finde das Stück wirklich ohne jede Ironie herzergreifend. Man kann es kaum beschreiben, doch hier trifft genau zu, was ein Rezensent einmal zum Doppelalbum sagte: „Wenn Sie dieses Album nicht mögen, dann ist Ihre Stereoanlage defekt.“

19. Tree 5:47


Zunächst Stille, dann Vogelgezwitscher, dann leise, nachdenkliche Klaviertöne, schließlich synthetische Begleitharmonien; das alles langsam, schwebend vorgetragen. Die Lautstärke steigert sich, wird wieder zurückgenommen, eine synthetische Glasharfe nimmt die Melodie auf. Dann wieder eine Steigerung, mehr Synthieklänge kommen hinzu, Meeresrauschen im Hintergrund, die Musik wird stärker akzentuiert und wirkt dadurch pathetischer. Gewittergrollen. Das Ganze wandert einmal rund um den Quintenzirkel. Ungewöhnlich!

20. Finale 7:02


Zunächst überraschen Klänge wie aus einer Kirmes- oder Truhenorgel. Dann wird schnell klar, daß das Finale eine Reprise des ersten Tracks ist. Auch hier werden - diesmal allerdings etwas deutlicher und ausführlicher - die Melodien der verschiedenen Tracks aufgegriffen, in der Instrumentierung variiert und ineinander verwoben, das Ganze mündend in einen sehr bombastischen Schlußakkord. Auch dies mit 7 Minuten wieder recht lang, doch auch ein Abspann braucht seine Zeit.


Alles in allem


Wie lautet nun mein Fazit? Natürlich ist das Doppelalbum phänomenal. Selbst für die 70er Jahre, die nun wahrlich an musikalischen Experimenten in der Pop-Musik und an Konzeptalben nicht arm waren, ist „Journey Through The Secret Life Of Plants“ unerhört avantgardistisch, sehr ambitioniert und absolut perfekt. Stevie Wonder hat das Doppelalbum digital aufgenommen, seinerzeit eher eine Rarität, da das damalige durchschnittliche Wiedergabe-Equipment diese Qualität kaum ausschöpfen konnte.

Auch für Stevie Wonder persönlich ist „Journey Through The Secret Life Of Plants“ als Höchstleistung zu werten. Er spielt dort nahezu alle Instrumente selbst, singt mit einer Ausnahme sämtliche Vokaltracks, hat das ganze komponiert und aufgenommen. Und nicht zu vergessen: Daß ein Blinder die Musik zu einem Film macht, ist ohnehin schon eine Sensation für sich. Stevie Wonder hat das später mit „Woman in Red“ wiederholt, konnte (oder wollte) aber die Marke, die er mit „Journey Through The Secret Life Of Plants“ selbst gesetzt hatte, nicht mehr überspringen.

Das Doppelalbum war seinerzeit kein überragender kommerzieller Erfolg. Viele Wonder-Fans fanden es sehr untypisch, langatmig, zu reich an Selbstzitaten. Zwar wurden die beiden Single-Auskopplungen (Track 11 und 12) zu Hits, das Album selbst zählte jedoch immer zu den schwächer verkauften des Musikers. Letztlich kein Wunder, da es die durch „Songs In The Key Of Life“ geweckten Erwartungen ganz und gar und mit voller Absicht nicht erfüllt.

Ich war in der glücklichen Lage, „Journey Through The Secret Life Of Plants“ als erstes Wonder-Album wahrzunehmen. Vorher kannte ich (zumindest bewußt) nichts von ihm. Und für mich ist es Stevie Wonders größter Wurf. Man kann beim Zuhören lachen und weinen, staunen und verzweifeln, laut mitsingen und still genießen. Nur zuhören muß man genau, am besten in Ruhe und allein. Wie ein anderer Rezensent einmal schrieb: „Don‘t paint your house listening to it.“

Ich kann eine uneingeschränkte Kaufempfehlung geben. Die Doppel-CD (Motown 530 106-2) ist im Handel ab etwa 15 Euro zu haben. Und dafür gibt es viele Stunden wunderbaren Musikgenusses. Mit einem Wort: Fabelhaft!