Das Fundament


Eugen Cicero - Swinging the Classics on MPS



Das ist schon ein Grund zu feiern: Fünf der bei MPS zwischen 1965 und 1970 erschienenen Cicero-Alben liegen als neu gemasterte Aufnahmen in einer Box mit 3 CDs vor. Versammelt sind hier „Rokoko Jazz“, „Cicero's Chopin“, „Swinging Tschaikowsky“, „Romantic Swing“ und „Balkan Rhapsody“.

„Cicero's Chopin“ und „Romantic Swing“ (mit Stücken von Franz Liszt) sind dabei erstmals auf CD verfügbar, „Balkan Rhapsody“ leichter greifbar. Die anderen Alben waren bereits vor einiger Zeit als CDs bei MPS Japan erschienen.

Die Box repräsentiert damit drei Schwerpunkte in Ciceros Jazz-Repertoire: Improvisationen über Barockstücke (mit dem Schwerpunkt auf J.S. Bach), die Beschäftigung mit Spätklassik und Romantik sowie die häufig übersehene, aber sehr hörenswerte Auseinandersetzung mit Volksweisen aus Ciceros rumänischer Heimat. Zugleich deckt die Auswahl der Komponisten die wichtigsten europäischen Regionen ab. Auf den Alben sind zum größten Teil Aufnahmen in der klassischen Klaviertrio-Besetzung zu hören: An Drums und Bass wird Cicero von Jazz-Größen wie Charly Antolini, Peter Witte und J.A. Rettenbacher begleitet.

Wer Ciceros Gesamtwerk kennt, wird beim Durchhören der CDs feststellen, daß hier der Kern und Ursprung seines Schaffens versammelt ist. Viele Stücke, die er später in unterschiedlichsten Besetzungen und Fassungen aufgenommen oder bei Konzerten aufgeführt hat, sind hier in einer zeitlos gültigen Erstform vertreten, die sich anschließend über die Jahre bis zum reifen Spätwerk fortentwickelt. Und zugleich wird deutlich, daß Eugen Cicero bei MPS von der ersten Minute an mit großartigem pianistischen Können, teils atemberaubendem Tempo und einem unglaublichen Groove swingte, daß es eine reine Freude war. Und das ist heute noch so sensationell wie vor 40 Jahren.

Nachvollziehen kann ich die Entscheidung, die beiden MPS-Alben „In Town“ und „Klavierspielereien“" nicht komplett in die CD-Box aufzunehmen. Diesen beiden, vorwiegend mit Mainstream-Jazz bestückten Platten merkt man zu deutlich an, daß Cicero seinen Stil noch suchte. Allerdings sind drei Stücke daraus doch auf die dritte CD geraten, und das war eine gute Wahl. Interessant ist dabei vor allem das Medley über „Rumänische Volksweisen“ - man muß den Track einmal im Vergleich zu der Aufnahme beim Überlinger Konzert 1996 (veröffentlicht als „Swinging Piano Classics“) hören. Über weite Passagen spielt Eugen Cicero Ton für Ton exakt das gleiche, und doch merkt man der frühen Aufnahme den jugendlichen Elan ebenso deutlich an wie der späten die reife Meisterschaft.

Belustigend finde ich, daß Universal Music das Label-Kürzel MPS (eigentlich „Musikproduktion Schwarzwald“) jetzt als „Most Perfect Sound“ gelesen wissen will. Sicher sachlich nicht falsch und eine vielleicht notwendige Konzession an die internationale Kundschaft, aber man gibt doch ein Stück kultureller Identität damit auf. Bei weitem ärgerlicher ist es, daß die Liner Notes der Original-LPs nur in englischer Übersetzung im Booklet zu finden sind, ebenso wie die sehr lesenswerten Statements von Eugen Ciceros Mitmusikern und Weggefährten. Man hätte sich ein Beispiel an den japanischen Wiederveröffentlichungen nehmen dürfen, bei denen oft ganz selbstverständlich auch der deutsche Ursprungstext zu finden war.

Mehr Grund zur Klage gibt es allerdings nicht. Diese CD-Box sei ohne Zögern jedem empfohlen, der artistischen Klaviertrio-Swing ebenso wie liebevolle Interpretationen der europäischen Piano-Tradition zu schätzen weiß.