Vom Schmatzen in den Gräbern
Night of the living dead
Ein Film, nach dem man sich die Lippen leckt - und in dem noch ganz anderen Kreaturen das Wasser im Mund zusammenläuft. Ein Klassiker des Genres, der Ursprung der Zombie-Welle, ein echter Schocker. Ein Film, der mit einem Etat von 140.000 Dollar gedreht wurde und in 35 Jahren etwa 50 Millionen Dollar einspielte. Aber von vorn: Zuerst einmal die Handlung
Ein Geschwisterpaar, Barbra (Judith O'Dea) und Johnny, besucht das Grab seines Vaters auf einem abgelegenen Friedhof. Man hält sich dort nicht lange auf, da noch eine weite Heimfahrt bevorsteht. Plötzlich wird Barbara von einem älteren Mann angefallen, der dem Zuschauer schon vorher durch seine unbeholfenen Bewegungen und sein zielloses Umherwandern auffällt. Johnny will Barbara beistehen, wird aber vom Angreifer im Handgemenge getötet. Barbara flieht in Panik.
Sie erreicht schließlich ein einsames Haus, in dem sich eine gräßlich zugerichtete Frauenleiche befindet. Kurz darauf stößt Ben (Duane Jones) zu ihr, der auf der Suche nach Benzin für sein Auto am Haus haltmacht. Da draußen immer mehr bedrohliche Gestalten auftauchen, verbarrikadieren sich die beiden im Haus, nachdem sie einige der Untoten aus dem Weg geräumt haben.
Etliche Zeit später machen sich fünf weitere Menschen bemerkbar, die sich im Keller versteckt hatten. Das Ehepaar Cooper mit Tochter (Karl Hardman, Marilyn Eastman, Kyra Schon) und ein junges Paar, Tom (Keith Wayne) und Judy (Judith Ridley). Zwischen Harry Cooper und Ben bricht bald ein Streit über die richtige Überlebensstrategie aus, der den Verlauf des Films wesentlich bestimmt.
Aus Radio und Fernsehen erfahren die Belagerten, daß durch die Strahlung einer abgeschossenen Venus-Sonde alle nicht beerdigten Toten wieder zu einem Scheinleben erwachen und nur noch ein Ziel haben: Menschenfleisch zu verzehren. Man entschließt sich zu einem Ausbruchversuch, um die nächstgelegene Sammelstelle zu erreichen. Doch dieser Versuch endet gänzlich anders als geplant ...
Hervorragend eingesetzte filmische Mittel
„Die Nacht der lebenden Toten“ fasziniert vom ersten Augenblick an. Der Film wurde 1968 als Low-Budget-Produktion in Schwarzweiß gedreht, was dem Regisseur George A. Romero und seinem Kameramann S. William Hinzman (der interessanterweise auch den Zombie auf dem Friedhof spielt) die Gelegenheit gab, eine Lichtführung und Filtertechnik zu nutzen, die nahtlos an 30er-Jahre-Horrorstreifen wie „Frankenstein“ (mit Boris Karloff) anknüpft. Die atmosphärische Dichte des Films lebt sehr stark von diesen schwarzweißen Bildern, den harten Schatten, der fehlenden Tiefenzeichnung, die Details oft erst erkennen läßt, wenn sie tatsächlich im Licht stehen.
Die Schnittfolge ist zuweilen abrupt, immer tempogeladen. Dies ruft beim Zuschauer durch die geforderte hohe Aufmerksamkeit eine zusätzliche Anspannung hervor. Schnelle Wechsel zwischen Halbtotale und Totale, sich rasch ändernde Perspektiven, die Kombination aus statischer Perspektive und dynamischem Schwenk - dies alles bringt den Zuschauer beinahe außer Atem.
Dabei fällt auf, daß Romero die Zombies nur selten in Nahaufnahmen zeigt. Meist ist es die Totale mit schweigend, knurrend oder stöhnend näherrückenden Gruppen, die eine Stimmung ständiger Bedrohung schafft. Nur in den Momenten, in denen die Zombies aggressiv werden, sind sie wirklich aus der Nähe zu sehen - dann sind es oft gierig greifende Arme, blutverschmierte, schlingende Münder, der Feldstein in der schlagenden Faust. Die Zombies sind keine Individuen, sie sind entweder Teil der blindwütig angreifenden Gruppe oder austauschbares Werkzeug des alles beherrschenden Hungers.
Die menschliche Seite
Neben der Bedrohung durch die Zombies wird die Gruppe im Haus von internen Machtkämpfen in Atem gehalten. Im Konflikt zwischen Ben und Harry werden ihre Charaktere sehr plastisch und nachvollziehbar gezeichnet: Ben ist der Macher, der im vernünftigen Rahmen risikofreudig, aber stets kalkuliert agiert. Harry ist ein Feigling, der nur dann handelt, wenn es in seinem eigenen Interesse unabwendbar wird. Tom beschränkt sich auf eine vorsichtige Vermittlerrolle, ist aber (stets mit leichter Verzögerung) für vernünftig erscheinende Vorschläge zu gewinnen.
Die Frauen sind in dem Film weitgehend passiv. Barbra ist fast katatonisch, ihr kommt der Bezug zur Realität zunehmend abhanden. Judy orientiert sich nur an Tom, und Helen Cooper geht in der Rolle der von ihrem Mann dominierten Ehefrau auf, die zwar dessen Schwächen kennt und zuweilen zaghaft widerspricht, letztlich aber nur das Wohlergehen ihrer kleinen Tochter im Sinn hat.
Interessant und sehr amerikanisch: Radio und Fernsehen als eine Art übergeordnete Autorität vereinen die zerstrittenen Personen immer wieder im stillen Zuhören und Zuschauen.
Letztlich sind es die Konflikte zwischen den Menschen, ihre Fehlentscheidungen und ihre Ignoranz, die den Film in der Katastrophe enden lassen. Ein Überleben in der Situation wäre für den Großteil der Gruppe durchaus möglich, wenn ihre Mitglieder zusammenarbeiten würden. Die Zombies sind besiegbar und eigentlich schwach. Im Fernsehinterview äußert sich ein Sheriff dazu: „Nicht sehr standfest, eine schwache Truppe ...“ Und er räumt mit seinen Leuten systematisch und emotional unberührt unter ihnen auf.
In der Figuren-Konstellation, die durch persönliche Machtansprüche und Egoismen die Geschichte auf ein ungutes Ende zuschlittern läßt, ähnelt der Film der klassischen griechischen Tragödie: Alles steuert unaufhaltsam in den Abgrund, auch wenn retardierende Momente zwischenzeitlich das Gegenteil suggerieren.
Übrigens würde sich der Teil des Films, der im Haus spielt (und damit fast die komplette relevante Handlung) durchaus auch für eine Theateraufführung eignen - einige kleine Änderungen im Skript, die nicht einmal sinnentstellend wirken würden, wären alles, was es brauchte. Ich weiß nicht, ob es ein derartiges Projekt schon einmal gegeben hat, interessant wäre es allemal.
Die Schauspieler sind durchweg in Bestform. Duane Jones gibt den energischen jungen Mann perfekt: zupackend und unbeirrbar. Karl Hardman (zugleich Co-Produzent) ist der Inbegriff des Duckmäusers, der sich zum Leittier aufspielen will, aber an seiner eigenen Kläglichkeit scheitert. Schön ambivalent gibt Keith Wayne seine Rolle als Tom - leider bleibt wenig Zeit, sie auszubauen. Die Frauen haben recht wenig Handlungsanteil, deshalb wirken ihre Charakterisierungen zuweilen holzschnittartig. Eigentlich schade, denn gerade die Figur der Helen Cooper hätte das Zeug, als Modell einer Persönlichkeitsentwicklung in der Krise zu dienen. Sie macht ihre Sache jedenfalls hervorragend. Judith O’Dea als Barbra dient nach meinem Eindruck lediglich als Bindeglied zwischen der Friedhofssequenz und dem Ablauf im Haus. Danach ist ihre Rolle praktisch bedeutungslos.
Mein Eindruck
Dieser Film ist bei weitem angsteinflößender als viele moderne Streifen, die mit perfekter Maske in brillanten Farben allein auf Splatter-Effekte setzen. Die gibt es in der „Nacht der lebenden Toten” natürlich in angenehm beschränktem Umfang auch, aber das sind bei weitem nicht die stärksten Szenen des Films. Manches wirkt sogar recht aufgesetzt - wenn die Zombies ihre ersten beiden Opfer verzehren, bemerkt man zwar die Absicht, mit diesen Szenen zu schockieren, aber aus heutiger Sicht regt das fast zum Schmunzeln an. 1968 war das starker Tobak, heute nicht mehr in diesem Maße.
Was heute wie damals erschreckt und auch mich beeindruckt hat, ist das Näherrücken der Toten. Ehemals Menschen, verkörpern sie jetzt nur noch die Gier nach dem Fleisch ihrer Opfer. Sie handeln instinktiv, sind Dinger, die kein Erbarmen, aber auch keinen Haß kennen. Sie kommunizieren nicht miteinander und sind nicht ansprechbar. Sie haben nur Hunger und streben nach der Nahrung. Die ungelenken Bewegungen, die gutturalen Laute, die sie ausstoßen, das appelliert an Urängste vor dem Fremdartigen, an Fluchtinstinkte angesichts eines Freßfeindes.
Daß die Zombies weder schnell noch geschickt sind, läßt sie nicht weniger bedrohlich wirken. Wenn sich Menschen in dem Film zwischen den Untoten bewegen, scheinen sie wie von Schlingpflanzen eines endlosen Dschungels umgeben. Man kann sie abstreifen, ihnen ausweichen, aber wenn man nur einen Moment zu lange verharrt, droht der tödliche Biß aus der anhänglichen Rotte.
Romero hat dies auf verschiedene Arten dargestellt, und jede von ihnen hat ihren eigenen Schrecken. Wenn Barbra auf dem Friedhof stürzt und nur mühsam wieder auf die Beine kommt, während der Zombie näherrückt, dann ist das wie in einem Albtraum, in dem man bewegungsunfähig auf Eisenbahnschienen liegt, während ein Zug naht. Ganz anders, aber ebenso eindrucksvoll sind die Szenen, in denen die Menschen an den verrammelten Fenstern stehen und immer wieder Arme durch die Lücken nach ihnen greifen wie seelenlose Mollusken.
Natürlich hat der Film auch seine absurden Momente. Die Erklärung der Totenerweckung durch unbekannte Strahlen einer zurückgekehrten Raumsonde ist eine heute beinahe lächerlich anmutende Reminiszenz an das golden age der Science Fiction und ihrer damaligen Versatzstücke. Nichtsdestotrotz waren solche Vorstellungen den populären Medien der 50er und 60er Jahre nicht fremd und machen diese Szenen zum Zeitspiegel. Zehn Jahre später, in „Zombie - Dawn of the Dead”, hat Romero einen Virus als Erklärung für das Auftreten der Wiedergänger genutzt - das könnte man vermutlich heute noch mit viel Großzügigkeit durchgehen lassen, in zehn oder zwanzig Jahren vielleicht nicht mehr.
An groben logischen Fehlern habe ich nur einen gefunden: Warum wandelt die in dem Haus aufgefundene Tote nicht umher, wie ihre Kollegen, sondern liegt während der ganzen Zeit untätig im Obergeschoß? Alle anderen Toten erwachen innerhalb weniger Minuten zum Zombietum, nur diese Frau nicht. Ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, daß hier eine von Romero geschickt vorbereitete Attacke aus dem Inneren erfolgt - leider vergeblich. Wer es erklären kann, möge einen Kommentar dazu schreiben.
Die DVD
Ich besitze die Fassung aus der Reihe „X-Rated Kult DVD”, die den im wesentlichen ungeschnittenen Film in ca. 96 Minuten Länge enthält. FSK-Einstufung: ab 16 Jahren.
Die Bild- und Tonqualität ist sehr gut. Bildformat ist 4:3, der Ton ist Dolby Stereo, obwohl der Film meines Wissens seinerzeit in Mono gedreht wurde. verfügbar ist der Originalton sowie die deutsche Synchronisation. Regionalcode ist 2, Farbcodierung PAL.
Als Dreingabe ist ein kurzes Feature (10 min) mit einem sehr interessanten Romero-Interview enthalten. Außerdem gibt es den Originaltrailer, der fast hypnotisch geschnitten ist - der Trailertext ist übrigens offenbar von einem ausgebildeten Schauspieler gesprochen. Das animierte und vertonte Menü ist konventionell, aber nicht schlecht. Es erlaubt über ein Untermenü den Zugriff auf 6 Kapitelmarken.
Das DVD-Cover ist dämlich, lachhaft und irreführend gestaltet. Der Knochenarm, der aus dem Grab ragt, die farbige (!), von einem Nagel durchbohrte Krallenhand, die Schrift in roten, bluttriefenden Lettern - davon schweigt man lieber. Das beigelegte 4seitige Booklet ist von einem Layouter mit gestalterischem Schwächeanfall angelegt, enthält aber einige lesenswerte Informationen.
Zu kaufen gibt es diese Ausgabe für etwa 20 Euro, eine andere Variante bei amazon.de für 18 Euro. Bei Ebay kann man weit billiger zuschlagen.
Fazit
Ich kann den Film und die DVD uneingeschränkt empfehlen. Es ist ein Klassiker, ein Filmdokument, interessant nicht nur für Horror-Fans. Und der Film ist spannend - und unheimlicher als vieles, was heute mit FSK 18 verkauft wird.