Begeisternd und mitreißend!


Carlos Ruiz Zafón – Der Schatten des Windes



Dieser Roman hat mir ein Lesevergnügen bereitet wie schon lange nicht mehr. Hier stimmt einfach alles: Geheimnisvolle Schauplätze, tiefe Gefühle, stimmiges Lokalkolorit, ein wirklich böser Bösewicht, differenziert gezeichnetes Personal, eine durch und durch spannende Handlung und ein furioser Schluß. Genau die Sorte Roman also, die man mit vor Aufregung roten Ohren am liebsten in einem Rutsch wegliest. Dabei ist das Buch kein bißchen platt oder vordergründig: Zafon trägt nur dann dick auf, wenn aufzutragen sich lohnt, und hält sich zurück, wenn es sich schickt.

Die Geschichte vom (etwas naiven) Daniel, der dem Leben und Werk eines mysteriösen Schriftstellers nachspürt, ist eingebettet in die bildhaft und nachdrücklich geschilderte Zeit des spanischen Bürgerkriegs und des Franco-Regimes. Vor diesem Hintergrund entfaltet sich ein Geflecht ineinander verwobener Schicksale, von Beziehungen voller Leidenschaft, großer Liebe und unstillbarem Haß. Kern der Erzählung sind die Lebenslinien des jungen Daniel und des Autors Carax, die zwei Varianten der gleichen Konstellation darzustellen scheinen - einmal führt sie in den Abgrund, einmal zu einem besseren Ende. Was da geschieht und wie sich die Sache schließlich auflöst, muß man schon selbst gelesen haben.

Sicher gibt es hier auch die eine oder andere Stelle, an der Zafon etwas mutwillige Volten schlägt und man geneigt ist, mahnend den Zeigefinger zu heben, weil man um die Logik und Glaubwürdigkeit des Romans fürchtet. Doch alles hat dann doch seinen Sinn in der Handlung, offene Fäden oder tote Motive sucht man vergeblich.

Was soll man noch dazu sagen, ohne zuviel zu verraten? Vielleicht das: „Der Schatten des Windes“ gehört zu den Romanen, bei denen man sich am Schluß wünscht, daß sie noch einmal so lang wären. Also: Wer das Buch noch nicht kennt, sollte es baldmöglichst kaufen und lesen. Wer es schon hat, sollte es noch einmal kaufen und einem anderen Büchernarren eine große Freude damit machen.