Pausenfüller
Louise Welsh – Dunkelkammer
Ein heruntergekommener Auktionator wird von der Schwester eines Verstorbenen mit der Sichtung und Auflösung von dessen Nachlaß beauftragt und stößt dabei auf pornographische Fotos mit Snuff- Szenen. Er will der Sache auf den Grund gehen, recherchiert unter anderem im Porno-Milieu, gerät in Gefahren und Verwicklungen. So weit, so gut.
Doch wie wär's mit dieser Variante: Ein heruntergekommener Privatdetektiv wird von der Frau eines Verstorbenen beauftragt, die den Nachlaß ihres Mannes sichtet und auflöst und dabei auf einen pornographischen Film mit Snuff-Szenen stößt. Der Detektiv will der Sache auf den Grund gehen, recherchiert unter anderem im Porno- Milieu ... etc. pp
Na? Klingelt's? Richtig! Die Autorin Louise Welsh hat offenbar mit Begeisterung den Film „8 mm“ mit Nicholas Cage in der Hauptrolle gesehen. Ein wenig paraphrasiert und in ein gänzlich anderes Umfeld versetzt, eignet sich der Plot hervorragend dazu, einen Krimi für eine der großen Bestseller-Bäckereien zu schreiben.
Das ist auch prompt gelungen - zumindest die geschäftliche Seite der Angelegenheit. Der literarische Teil animiert dagegen eher zum Kopfschütteln. Der ganze Roman liest sich, als sei er brav, dabei aber sehr uninspiriert nach Standardrezepten des „creative writing“ heruntergetippt: Man nehme einen klassischen Antihelden (Auktionator Rilke, Alkoholiker und ohne Würde alternder Homosexueller), einen exzentrischen Gegenpart (Rilkes Chefin), einen guten Schuß Lokalkolorit (Glasgow), eine unerhörte Begebenheit (Fund von Snuff-Porno) und eine Reihe schmückender Nebenfiguren. Das alles packe man in eine linear ablaufende Handlung mit zwei, drei Spannungsbögen und einem halboffenen Ende (es könnte sich ja mal der Wunsch nach einer Fortsetzung ergeben).
Handwerklich ist das tapfer durchgezogen, aber die Autorin scheut dabei vor einer konsequenten Durchkomposition zurück. Etliche Figuren werden mit Brimborium und Exotik aufgebaut, haben dann aber zum Fortgang der Handlung wenig beizutragen und verkommen zu Stichwortgebern. Kritische Szenen entwickeln sich mit einiger Spannung, die dann aber auf dem Höhepunkt spurlos verpufft. Etliche Handlungsträger verhalten sich reichlich unmotiviert, allen voran die Hauptfigur Rilke (nebenbei bemerkt, es ist schon reichlich vermessen, dem Helden eines mittelmäßigen Romans diesen Namen zu geben). Wenn die Handlung ins Stocken gerät, läßt Rilke seiner Unvernuft freien Lauf und schafft dadurch die eine oder andere kleine Verwicklung, die dann aber auch wieder ohne nachwirkende Konsequenzen bleibt. Vollends lächerlich wirken Szenen wie die ansatzlos aus dem Hut gezauberte schwule Sex-Episode, die aus einem sexualmedizinischen Ratgeber stammen könnte.
Ich finde das Buch rundherum ärgerlich. Der Plot und die Figuren hätten einiges mehr hergeben können. Doch zu einem überzeugenden Schluß fehlte der Autorin offenbar die Kraft, zu einer kniffligeren Komposition das Können. Der Roman ist zwar nicht unlesbar, man kommt ganz locker durch, aber er ist eher ein Pausenfüller, den man vielleicht zur Hand nehmen kann, wenn man sonst absolut nichts Brauchbares im Haus hat.