Schwungvoll unter die Erde


Tom - Gestatten, Bestatter



Diese Rezension bezieht sich auf die erste Ausgabe der Bestatter-Geschichten, die noch im Selbstverlag erschien

Regelmäßige Leser des Bestatterweblogs kennen die unterhaltsame Mischung aus ernsten, anrührenden, amüsanten und lehrreichen Texten rund um den Berufsalltag eines Bestatters, die „Undertaker Tom“ Tag für Tag ins Netz stellt. Für alle anderen gibt es hier nun einen Teil der Texte in gedruckter Form.

Bei der Zusammenstellung des Buchs ist es sehr schön gelungen, die Themenmischung des Blogs repräsentativ abzubilden. Handwerkliche Aspekte des Bestatter-Berufs kommen hier ebensowenig zu kurz wie das Menschlich-Allzumenschliche, das gerade in der Ausnahmesituation rund um den Tod eine Menschen besonders deutlich zu Tage tritt. Dabei entstehen nicht selten überraschend komische Situationen.

Die allein wären allerdings längst nicht so schön zu lesen, wenn der Autor der Geschichten nicht über ein frappierendes Schreibtalent verfügen würde. Die Texte sind in einem munteren Erzählton verfaßt, der fast immer eine angenehme Gelassenheit und eine sympathische Bereitschaft zur Selbstironie verrät. Beides hält den Verfasser allerdings nicht davon ab, besonders traurige und bewegende Momente auch emotional ganz präsent werden zu lassen. Wer nah am Wasser gebaut hat, wird bei der Lektüre hin und wieder ganz sicher zum Taschentuch greifen. Kurz: Der Mann beherrscht nicht nur sein Bestatter-Handwerk, sondern auch das des Autors, und das macht wohl neben dem ungewöhnlichen Thema einen Gutteil der Anziehungskraft seines Blogs aus.

Übrigens lohnt es auch für Blog-Leser, das Buch zur Hand zu nehmen. Gerade die längeren Geschichten, die online portionsweise über mehrere Tage verteilt erschienen, wirken im Zusammenhang noch flotter, zwingender und besser durchkomponiert. Zudem sind im Buch Texte enthalten, die nicht online veröffentlicht wurden.

Die im Buch enthaltenen Illustrationen von Nina Ruzicka sind sehr brav und konventionell gezeichnet, dafür wirken sie aber auch nie unangemessen und versuchen die Texte nicht zu übertrumpfen. Diese Zurückhaltung bringt nicht jeder Illustrator fertig. Trotzdem fände ich es, nur mal so als Gedankenspiel, im Vergleich reizvoll, die Geschichten beispielsweise zusammen mit Vignetten von Paul Flora zu sehen, aber der Mann nimmt wohl in seinem hohen Alter keine Aufträge mehr an.

Etwas ärgerlich, bei einem selbstproduzierten Buch aber auch einigermaßen verzeihlich finde ich die Typographie des Bandes. Teils überraschend konsequent durchgehaltene Fehler im Schriftsatz (den Unterschied in Gestalt und Verwendung zwischen Gedankenstrich und Trennstrich scheint der Setzer nicht zu kennen) lassen den prüfenden Blick eines geübten Korrektors vermissen. Auch die Marotte, nach jedem noch so kurzen Absatz eine Leerzeile einzuschießen, verwirrt eher der dafür aufgewendete Platz hätte übers ganze Buch einige Seiten mehr Text erlaubt. Merkwürdig fand ich auch die Angewohnheit, wörtliche Rede immer dann kursiv zu setzen, wenn nicht der Erzähler selbst spricht. Ein guter Dialogschreiber macht in jeder Situation mit sprachlichen Mitteln deutlich, wer gerade spricht, und „Tom“ ist definitiv ein guter Dialogschreiber. Rätselhaft blieb mir zudem, warum neue Kapitel nur auf rechten Seiten gegenüber einer leeren linken Seite anfangen - nicht selten entstehen dadurch in Folge zwei leere Seiten im Buch. Angesichts der Tatsache, daß im Blog noch bis kurz vor Beginn der Schlußredaktion laut darüber nachgedacht wurde, wie viele Geschichten man im Buch überhaupt noch unterbringen könne, verstehe ich das erst recht nicht: Mit einer ökonomischeren und dabei nicht schlechter lesbaren oder weniger ästhetischen Satzgestaltung hätten, überschlägig gerechnet, sicher 40 Seiten mehr zur Verfügung gestanden.

Aber ich will nicht zuviel meckern. Wenn man nicht jeden Tag Bücher macht, muß man manches erst noch mühsam lernen, was im professionellen Verlagsbetrieb selbstverständlich ist. Und der Lesespaß macht solche Schönheitsfehler allemal wett. Das Buch läßt sich problemlos an einem Tag weglesen, und anschließend hätte man gute Lust, gleich einen Fortsetzungsband zur Hand zu nehmen. Wer weiß, vielleicht gibt es den ja früher oder später auch. Die Chancen stehen nicht schlecht, daß ich dann auch dafür eine ebenso klare Kaufempfehlung aussprechen würde wie für diesen Band.