Hippos Landpartie


Stephen Fry – Das Nilpferd



Daß Stephen Fry einen ausgeprägten Sinn für drastische Formulierungen und aberwitzige Szenen hat, ist spätestens seit dem „Lügner" bekannt. Im „Nilpferd" treibt er seine Vorliebe auf die Spitze.

Die Konstellation zu Beginn scheint rätselhaft: Nach groben Ausfälligkeiten in Ausübung seines Berufs soeben gefeuert, wird der Dichter und Theaterkritiker Ted Wallace von seiner wohlhabenden Patentochter angeheuert, um die Verhältnisse im Hause seines alten Freundes Logan auszukundschaften. Die Familie nimmt ihn herzlich auf, darunter sein Patensohn David, ein scheinbar engelsgleiches Wesen, und dessen (auch geistig) eher vierschrötiger Bruder.

Doch Wallace ist nicht allein auf dem Landsitz zu Gast. Nach und nach finden sich Bekannte und Verwandte dort ein, einer Pilgerschar gleich, die offenbar große Hoffnungen in den Besuch setzt. Nur Wallace bleibt lange im Unklaren darüber, worum es überhaupt geht - denn das hatte ihm auch seine Auftraggeberin nicht verraten.

Der Roman besteht zu großen Teilen aus Briefen, die Wallace als getreuer Berichterstatter nach London schickt. Er schildert darin erst harmlose, dann immer verrücktere Eindrücke und Erlebnisse. Darunter sind Szenen, die des Autors große Freude an schlüpfrig-zweideutigen Formulierungen, an deftigen Flüchen und eine stellenweise erfreulich verschrobene Weltsicht verraten.

Des Rätsels Lösung ist ebenso überraschend wie schlüssig. Alle Fäden, die zuvor als Fallstricke für den Leser (und den Ich-Erzähler) ausgelegt wurden, laufen letztlich auf überzeugende Weise zusammen, und Stephen Fry beweist sich ebenso als geschickter Erzähler wie als bekennender Skeptiker.

Fry schreckt hier vor kaum einer gezielten Peinlichkeit zurück, bedient mit Wortwitz die Sensationsgier des Lesers und offenbart eine Fabulierkunst, die nur wenige Geschmacksgrenzen akzeptiert. Und dabei gelingt ihm zugleich das Kunststück, hohe Bildung sowie eine ausgeprägte Moralität zu demonstrieren. Es gibt wohl kaum einen Text von Fry, der zum Schluß so entschieden das Gute, Schöne und Wahre triumphieren läßt - ohn daß dies im geringsten das Amüsement des Lesers schmälert.